Alles im Griff?
Während ich auch nach meinen ersten Wochen im Angels Home manchmal noch ratlos umher stolpere und oft nicht weiß, wo etwas ist oder wie etwas gemacht wird, gibt es eine Sache, die mir immer wieder ins Auge fällt:
Es ist die Souveränität, mit der die Mädels ihren Alltag meistern. Besonders deutlich wird das bei der Bewältigung der alltäglichen Pflichten.
Nach einem anstrengenden Schultag wird die Schuluniform zunächst mit der Hand gewaschen. Selbst die Kleinsten kann ich hier jeden Tag bestaunen, wie sie selbstständig den Staub aus dem Stoff schrubben und danach dem Ganzen mit Bleichmittel ein strahlendes Weiß verleihen.
Während die einen sich danach noch genüsslich beim Mittagessen stärken, beginnen die anderen schon mit der Erledigung ihrer Hausaufgaben. Dabei sitzen sie alle an einer langen Tafel und jeder hat Schulsachen eines anderen Unterrichtsfaches vor sich ausgebreitet.
Bei der Gartenarbeit muss die Aufgabenteilung nicht lang diskutiert werden – im Nu sind die Pflanzen gegossen und altes Laub zusammengefegt.
Natürlich passiert es nicht selten, dass eines der Mädchen auch einmal Hilfe braucht. Wo ist die Krawatte meiner Uniform? Wo bekomme ich Seife zum Waschen her?
Doch in einer gut funktionierenden Gemeinschaft stellen solche Situationen nicht lange ein Problem dar – schnell hat sich eines der Mädchen gefunden, meist eines der größeren, das zu Hilfe eilt. Sie helfen beim Suchen, geben Tipps für die Hausaufgaben oder übersetzen im Gespräch mit uns Praktikanten, falls doch einmal Verständnisschwierigkeiten auftreten.
So kommt es, dass auch wir Praktikanten in den verschiedensten Situationen nicht lange auf eine helfende Hand warten müssen.
Es ist Zeit zum Zähneputzen und die Mädchen sollen sich aufstellen, um von mir die Zahnpasta ausgeteilt zu bekommen – doch alle sind stattdessen ins Gespräch vertieft? Kein Problem – souverän übernimmt eine der jungen Frauen das Kommando und sorgt für einen reibungslosen Ablauf.
Eines der Kinder hat sich sogar im Gespräch mit den bisherigen Praktikantinnen eigenständig etwas Deutsch beigebracht. Kein Wunder, dass sie die wichtigste Vermittlerin zwischen uns und den anderen Kindern ist.
Auch der Erfindergeist der Mädchen beeindruckt mich immer wieder. Kokosnussschalen werden zum Geschirr, wenn man auf dem Spielplatz ein Kaffeekränzchen nachspielen will und kurze Haare stellen kein Hindernis dar, wenn man einander frisieren möchte. Schnell werden Palmenblätter in eine Perücke verwandelt und Zöpfe geflochten.
Ich kann jeden Tag aufs Neue nur staunen, über so viel Lebensmut und Engagement, die es möglich machen, jedes Problem anzugehen und mit wenig Mitteln viel zu erreichen.
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