Eines Tages
Eines Tages, werden wir alt sein und von den Geschichten erzählen die wir erleben durften. Geschichte ist nun auch meine Zeit hier im Angels Home und ich bin mir sicher, dass ich diese ganz Besondere, immer und immer wieder erzählen werde.
Geschichten wecken in einem häufig das Gefühl etwas sei abgeschlossen und gehört nur noch ausschließlich der Vergangenheit an. Etwas ist Geschichte, vergangen und lebt nur noch in der Erinnerung. Doch ich bin mir sicher, diese kurzen drei Monate trage ich nun in mir. Nicht nur als eine Erinnerung die irgendwann verblast. Vielmehr trage ich die Zeit in mir, als eine Veränderung. Ich sehe diese Geschichte nicht als etwas Abgeschlossenes, sondern als etwas das nun beginnt. Die Verbindung zu den Mädchen, zu Sri Lanka. Zu diesem Projekt und den Praktikantinnen die ich kennen lernen durfte, ist gewiss mit diesen drei Monaten nicht beendet.
Die Erlebnisse und Ereignisse werden natürlich irgendwann nicht mehr so präsent sein, doch einzelne Momente und Gefühle tragen zur weiteren Entwicklung meines Charakters bei. Sie tragen dazu bei, wie ich die Welt in Zukunft sehen werde.
Und eines Tages, werden wir alt sein und auf unser Leben zurückblicken. Und eines Tages ist schon heute. Eines Tages ist nur einen Wimpernschlag entfernt. Ich sitze da, lehne mich zurück und atme tief durch. Welche Momente gehen mir jetzt noch durch den Kopf? Welche Geschichten sind jene, die ich unzählige Male erzählt habe? Ich spüre den Sand unter meinen Händen, den Wind in meinem grauen Haar. Ich rieche die Luft. Diese unverkennbare Luft, die mich direkt zurück wirft in eine Zeit die nun weit zurückliegt. Ich öffne die Bildergalerie in meinem Kopf. Ich sehe Reisen, ich sehe fremde Kulturen. Ich sehe Philosophie, Bildung und Arbeit. Und ich sehe ganz viele Gesichter. Schemenhaft und doch so klar, unverkennbar die Gesichter dieser Zeit.
Die Gesichter, die mir zeigten wie sie leben. Die mir zeigten wie stark sie ohne Rückhalt ihrer Familie sein können. Die mir zeigten, dass meine kleine Welt eigentlich noch viel winziger ist, als zuvor angenommen.
Ich hoffe, ich sitze dort in weiter Zukunft am Strand und bin glücklich. Ich hoffe ich sitze dort und bin glücklich darüber wie ich mein Leben gelebt habe. Ich hoffe es war ein bewusstes Leben, ein dankbares Leben, geprägt dadurch Chancen zu ergreifen, Fremdes zu begreifen und immer wieder aufs Neue dankbar zu sein. Nicht im Stillen und nicht ohne Konsequenz. Sondern mit der Folge so gelebt zu haben, dass sich im kleinen Rahmen die Welt ein klitzekleines bisschen verändert hat. Ich hoffe ich blicke auf die Vergangenheit Sri Lankas und sehe Entwicklungen. Ich hoffe ich sehe, dass dieser Grundstein der hier gelegt wurde und die mühevollen Kämpfe die Julia und Frank für die Rechte der Mädchen ausgetragen haben, weiter gediehen sind. Ich hoffe, dass es mehrere Menschen gibt die nicht aufgeben und die sich dafür einsetzen, dass Menschen die keine Stimme haben gehört werden.
Ich hoffe eines Tages, blicke ich auf mein Leben zurück und stelle fest, dass ich auch so ein Mensch war.
Danke für die letzten drei Monate. An die Mädchen. Frank und Julia. Und meine Kolleginnen und mittlerweile Freundinnen Marla, Hanna und Jana.
Man sieht sich immer zweimal im Leben. Hoffentlich auch noch öfter.
Liebe Grüße
Valentina
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