„Learning by Doing“
Kaum bin ich morgens um halb 5 in Colombo angekommen, finde ich mich eine Stunde später inmitten eines wuselnden Haufens von 45 Mädchen wieder, die sich für die Schule fertig machen.
Der einzige Gedanke der mit in dieser Situation durch den Kopf geht ist: Wie in aller Welt soll ich die Namen zu diesen vielen neuen Gesichtern lernen.
Ich hatte mir vorgenommen, auf jeden Fall den ganzen Tag wach zu bleiben, um möglichst schnell in den Rhythmus zu finden. Ganz geschafft habe ich das leider nicht, ein paar Stunden morgens in meinem neuen Bett mussten einfach sein.
Den Rest des Tages verbrachte ich damit, Marie Luise hinterherzulaufen, mir alles zeigen zu lassen und die neuen, überwältigenden Eindrücke zu verarbeiten.
Das scharfe Essen, das Essen mit den Händen (an was man sich innerhalb von Sekunden gewöhnt), die neuen Gerüche, die vielen Leute, die Temperaturen und vor allem die Geräuschkulisse. Komplette Stille ist etwas, das ich in den nächsten Monaten mit Sicherheit nie haben werde. Fallen die vielen Stimmen der durcheinander brabbelnden Kinder weg, beschweren sich die Hunde lautstark zusammen mit den unzähligen Vögeln. Die Nachbarn lieben ihre viel zu laute Musik und lassen uns alle gerne daran teilhaben. Nicht einmal Nachts ist es ruhig. Das kann ziemlich anstrengend sein aber wenn ich von hier weggehe, werde ich es bestimmt vermissen.
Mittlerweile bin ich schon drei Wochen hier und habe mich sehr gut eingelebt. Meine Sorge, mir nie im Leben auch nur drei Namen merken zu können, hat sich inzwischen in Luft aufgelöst. Wenn morgens um kurz vor fünf der Wecker klingelt gibt es diesen einen Moment in dem ich denke „Was zu Hölle mache ich hier eigentlich gerade?!“ Doch sobald man in die verschlafenen Gesichter der Mädels guckt, die „Good Morning“ murmeln, ist dieser Gedanke auch schon wieder verflogen.
Meine Aufgaben hier bereiten mir viel Freude, vor allem die Englisch Nachhilfe mit den Mädchen.
Insgesamt ist es mit allem hier wirklich so, wie Marie Luise zu mir am ersten Tag meinte: Learning by Doing!
Letzten Sonntag hat eine der anderen Praktikantinnen, Anna, ihren Geburtstag gefeiert. Julia hat uns deshalb netter weise den Vormittag frei gegeben und wir konnten zusammen eine kleine Erkundungstour an den Strand hier beim Angels Home unternehmen. Auch wenn wir uns nach eineinhalb Stunden am Strand spazieren bereits beide einen Sonnenbrand im Nacken geholt hatten, war es ein sehr erholsamer Vormittag, an dem schon ein bisschen Urlaubsstimmung aufkam.
Noch schöner war es allerdings, zurück ins Heim zu den Mädchen zu kommen.
Wirklich toll finde ich, wie offen und liebevoll die Mädels auf einen zugehen, obwohl sie jedes Jahr sehr viele Praktikantinnen kennenlernen, von denen sie sich alle nach ein paar Monaten wieder verabschieden müssen.
Die Tage hier im Angels Home vergehen schnell und auch wenn einige von ihnen anstrengend und sehr lang sind, schlafe ich jeden Abend mit einem guten Gefühl ein und bin dankbar, diese Erfahrungen hier machen zu können. Ich werde viel gelernt haben, wenn ich am Ende zurück nach Deutschland gehe und mich bestimmt etwas verändert haben, da bin ich mir jetzt schon sicher.
Bis bald,
Chiara
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