Schönheit in Sri Lanka
Wie überall auf der Welt sind auch hier in Sri Lanka die meisten Leute stets um ihre Schönheit und das angemessene Auftreten bemüht. Ein roter Faden ist im Dresscode sowie in der Art sich herzurichten in den öffentlichen Verkehrsmitteln und Orten, vor allem in den ländlicheren Gebieten und nicht zuletzt auch bei uns im Angels Home, zu beobachten. So macht es mir den Eindruck, als würde ganz Sri Lanka dieser einen Art, auszusehen, nacheifern, während das bei uns in der westlichen Welt ja sehr individuell ausfällt. Natürlich ist das einerseits auf die geringe Verfügbarkeit vieler Produkte und auch den fehlenden finanziellen Mitteln für solche Angelegenheiten zurückzuführen. Andererseits meine ich hier aber ein ganz offensichtliches Schönheitsideal und einen sehr einheitlichen Geschmack der Damen, auf die ich mich im heutigen Bericht ausschließlich beziehe, zu erkennen.
Während in Deutschland viele Leute ins Sonnenstudio rennen oder sich ausgiebigst sonnenbaden, bis sie die gewünschte Bräune erreicht ist, wollen die Damen in Sri Lanka vor allem eines: weiß sein! Es liegt auf der Hand, dass es deutlich einfacher ist, helle Haut dunkel zu bekommen, als andersrum. Aber man weiß sich in dieser Sache trotzdem zu helfen. Der (zumindest hier im Heim) beliebteste Helfer ist das Babypuder. Davon nehmen sich die Mädchen reichlich, bevor sie in die Schule gehen und geben es auf ihr Gesicht, Arme und Beine. Anfangs dachte ich, sie wollten damit eine weichere Haut erzielen, was bestimmt auch ein netter Nebeneffekt davon ist. Aber es geht vordergründig tatsächlich um die weiße Farbe dieses Puders. Und wenn man bewusst darauf achtet, sieht man auch, dass die Haut dadurch heller wirkt. Das hängt natürlich davon ab, wie tief man in die Puderdose greift, wobei es manche Mädels dabei gerne maßlos übertreiben
Neben dem Überangebot verschiedenster Babypuder, kann man in den singhalesischen Geschäften auch viele Cremes und Pasten finden, die den ultimativen „Whitening Effect“ versprechen. Ich frage mich jedes mal, wie die Zusammensetzung einer Creme im Detail aussehen muss, um diesen Effekt zu erzeugen. Jedenfalls befinden sich auf den Covers dieser Cremes fast immer weiße Schönheiten, sowie auch auf sämtlichen Plakaten und Werbeschildern auf den Straßen. So wenig wie man in Marawila weiße Touristen trifft, so häufig sieht man sie auf diesen Anzeigen. Ich weiß noch, wie komisch ich das anfangs gefunden habe und mir dachte: „Krass, da orientieren sie sich an einem Schönheitsideal, dass überhaupt nicht ihrer Natur entspricht“. Das fand ich irgendwie schockierend und auch etwas schade, wo es doch so viele wunderhübsche singhalesische Mädchen zu sehen gibt. Es hat nicht lange gebraucht, bis mir bewusst wurde: bei uns ist es doch überhaupt nicht anders! Ob es nun der 90-60-90 body ist auf den man hinarbeitet, ohne jegliche körperliche Begebenheiten dafür, oder auf eine Hautfarbe die nicht der eigenen, angeborenen entspricht, ist im Endeffekt total egal.
Wo ich soeben schon das Thema Körper angeschnitten habe – hier wiederum macht es mir den Anschein, als seien die Singhalesinnen mehr als entspannt. Schließlich ist die Küche in Sri Lanka auch reich an Kohlenhydraten, Fisch und Fleisch. So sind die Frauen in den Saris stets bemüht, Schultern und Beine bedeckt zu halten, während der manchmal ziemlich üppige Bauch einen nahezu frech angrinst. Und das selbst in öffentlichen Ämtern, wie zB dem Immigration Office in Colombo. Wenn man hier in Top und Shorts die Straße entlang läuft, erntet man von den Frauen verachtende Blicke und gilt als „billig“ und „Freiwild“. Bedeckt das Top jedoch die Schultern und die Hose die Knie, darf es auch ruhig bauchfrei sein. Eine Angelegenheit, die meiner Meinung nach paradoxer nicht sein könnte.
Was die Kleidung betrifft, auch diese ist hier in Thema für sich. Das Motto ist ganz klar: je lauter die Farben, je funkelnder die Straßsteine, desto besser! In fast jedem Kleidungsstück, sei es Rock, Hose, T-shirt oder Kleid sind glitzernde und schimmernde Elemente zu finden. Auch aufgestickte Details liegen hier voll im Trend. Vor allem dann, wenn es sich um ein Tier handelt. Bevorzugt werden hierbei kleine Hasen oder Teddybären. Und diese sitzen dann meistens in der Bauchregion und knabbern eine Möhre oder winken einem lachend zu. An der Stelle muss ich erwähnen, dass es sich im Beschriebenen nicht (!) um Kindermode handelt. Ich muss ehrlich zugeben, der Anblick war für mich anfangs etwas gewöhnungsbedürftig, gerade als Liebhaberin des minimalistischeren Stils. Aber natürlich spielt das im Endeffekt eine untergeorndete Rolle, es springt einen visuell nur förmlich an.
In Sachen Make Up halten sich die Frauen in Sri Lanka im Alltag jedoch sehr zurück. Nur zu festlichen Anlässen wird sich geschminkt. Und dann auch das nicht gerade sparsam. Auf den Straßen sind etliche Beautysalons zu finden, die sich meistens auf das Gebiet Hochzeit spezialisiert haben. Es ist hier so üblich, sich, gerade zur Hochzeit, professionell aufmotzen zu lassen. Dabei kommen manchmal unglaubliche Verwandlungen zum Vorschein. Ich erinnere mich, wie mir die ehemalige Managerin des Heims Fotos von ihrer Hochzeit zeigte. Ich bin voll ins Fettnäpfchen getreten, als ich fragte, wo sie auf den Bildern zu sehen sei. Ich habe sie einfach nicht wiedererkannt.
Ich finde es interessant und faszinierend zugleich, wie unterschiedlich Ästhetik und Schönheit interpretiert und repräsentiert werden können. Schließlich bin ich für die Singhalesinnen in meiner schwarzen, knielangen Shorts und dem grauen, weit geschnittenen T-shirt auch keine Augenweide. Dadurch, dass der Modetrend hier so gar nicht meinem Geschmack entspricht, wurde mir eines dennoch klarer und bewusster, als es das jemals in Deutschland war: wahre Schönheit kommt von innen. Und wenn ich im Bus eine singhalesische Frau im Glitzerrock und eng anliegendem Teddy-Tshirt sehe, sie mich anstrahlt und ich mir denke: „Wow, was für ein schöner Mensch!“, dann ist das wohl der beste Beweis dafür.
Bis bald! Janika
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