Kommunikation ist alles
Nun bin ich seit 3 Wochen im Angels Home, und was soll ich sagen, der Satz, den ich in den ersten Tagen so oft gehört habe und trotzdem kaum glauben konnte, wird wahr: du wirst dich daran gewöhnen! Ehrlich gesagt wurde mir noch nie so deutlich klar, an was ich mich alles fähig bin zu gewöhnen. Die wilden Tuktuk-Fahrten und Einkäufe im wuseligen Marawila, die ganzen Insekten und Tiere, denen man täglich begegnet, die Lautstärke der Kids beim Spielen, dreimal täglich Reis und Currygerichte, und, der für mich anfangs hoffnugsloseste Aspekt: die Kommunikation mit den Kindern und den Matrens. Denn neben den grundsätzlich verschiedenen Arten zu gestikulieren, kommt erschwerend noch das teils sehr brüchige, mit stark asiatischem Akzent versetze Englisch hinzu, das für einen Europäer anfangs wirklich fast unmöglich ist zu verstehen. An dieser Stelle mag man meinen, dass man hier weniger Probleme hat, wenn man sicher in Grammatik und Wortschatz ist. Da sich solche Regeln hier aber nochmal von Grund auf neu bilden, bringt einem das so gar nichts. Dass es hier also oft zu Missverständnissen kommt, ist mehr als klar. Und ich finde sogar, dass sie einen ganzen Bericht verdient haben. Erstmal möchte ich euch gerne von den zwei wesentlichsten, unterschiedlichen Arten zu gestikulieren erzählen.
Ich gebe zu, in den ersten Tagen etwas zurückhaltender gewesen zu sein, und die meisten Sachen, die mit den Einheimischen besprochen werden mussten, habe ich gerne Julia, der Praktikantin, die schon eine Weile hier war, übernehmen lassen. Natürlich wurden hierbei oft Fragen von Julias Seite gestellt, die immerzu mit einem Kopfschütteln erwidert wurden. Ich betrachtete das Ganze von außen und für mich machte das erstmals einen ziemlich sturen Eindruck. Warum wollen sie denn gar nicht darauf eingehen, was sie von ihnen möchte? Wie kann man nur so wenig Bereitschaft zeigen? Und wenn Julia danach noch zufrieden weitergestapft ist, habe ich die Welt eh gar nicht mehr verstanden. Das Verrückte daran ist, dass ich natürlich zuvor Bücher über Sri Lanka gelesen habe und dort auf genau solche Themen gestoßen bin, mir also das Wissen über solche Andersartigkeiten, wie dass man den Kopf schüttelt, wenn man ja sagen will, nicht fehlte. Als ich jedoch das erste mal mit dieser Situation konfrontiert wurde, kam es mir so unglaublich fremd vor, dass ich in meiner ersten geistigen Reaktion gar nicht darauf zurückgreifen konnte, was ich zuvor gelernt hatte. Das fand ich irgendwie abgefahren, wie eingefahren man doch ist.
Zu Missverständnissen kam es anfangs auch oft, wenn eine von den singhalesischen Damen wollte, dass ich mal kurz zu ihnen komme. Julia, Marina und ich saßen im Computerraum und arbeiteten an unseren Englischstunden, als Judith ans Fenster klopfte. Wir alle blickten zu ihr, sie sah mich an und winkte mir, mit dem Handrücken nach oben, zu. Natürlich, wie immer das singhalesische Strahlen auf dem Gesicht. Ich erwiderte also ihr nettes Lächeln, winkte und rief „Hello Judith!“. Noch bevor ich das rufen konnte, drehte sie sich um und ging. Verstört fragte ich die beiden anderen: „Wo ist sie denn jetzt hin?“, und Julia erwiderte lachend: „Janika, sie will, dass du ihr folgst!“. Seit diesem Tag habe ich es mir stark verinnerlicht: das Winken mit nach unten gerichteter Hand, bedeutet, dass man jemandem folgen soll. Die hier geschilderte Situation ist nur eine von vielen, es ist manchmal schon wirklich sehr witzig, wie hier zwei komplett verschiedene Kulturen aufeinander treffen.
Als würden diese Umstände die Kommunikation nicht bereits kompliziert genug machen, ist auch das miteinander sprechen manchmal eine echte Herausforderung. So ist es oft der Fall, dass Sachen besprochen oder gefragt werden, die die andere mehr oder weniger offensichtlich nicht verstanden hat. Ist auch egal, denn in jedem Fall strahlt man sich einfach herzlichst an. Das ist die ganz einfache Devise, keine Ahnung haben, worum es geht und nett lächeln. Wenn man sich in einer solchen Situation dann Hilfe holt, also eine singhalesisch sprechende Person, die das Gesagte übersetzt, wird es so richtig lustig. Beispiel: Ich sage: „Could you please ask her, where the key for the bathroom is?“. Eine einfache, simple und kurze Frage. Nun darf man sich auf eine längeres Gespräch unter den Einheimischen einstellen und man selbst steht daneben und geht im Kopf alle Optionen durch, worum es nun gehen könnte. Wurde der Schlüssel verlegt? Hat ihn evtl eine andere Matren? Oder hat sie ihn selbst schon seit Tagen nicht mehr gesehen? Nach fünf Minuten wird einem von der gefragten Person einfach der Schlüssel vor die Nase gehalten. Meistens hinterfrage ich diese Situationen dann nicht weiter und verlasse den Raum, mit einem großen Fragezeichen im Gesicht.
Wenn man mit Worten nicht weit kommt, kann man sich auch gerne an Händen und Füßen bedienen, eine Methode, die hilfreicher ist, als man meinen mag. Das beginnt schon im Englischunterricht, wenn ich den Mädchen ein englisches Wort erkläre. Da man nicht einfach die singhalesische Beschreibung an die Tafel schreiben kann, wird man kreativ, lässt sich die verschiedensten Dinge und Situationen einfallen, um Begriffe verständlich zu machen und macht sich dabei oft auch zum Affen. Manchmal ist das anstrengend und auch nervenzerrend, aber am Ende dann doch immer cool zu sehen, wenn es funktioniert.
Das sind so meine Eindrücke von der Kommunikation im Team und mit den Mädchen, hier in Sri Lanka. Es ist nicht immer einfach, mal fühlt man sich unverstanden, mal hat man das Gefühl, man selbst sei ein Holzkopf, der mal wieder nicht checkt, was abgeht. Aber das Schöne an der Sache ist, dass man sich am Ende des Tages, irgendwie, irgendwo, eben doch versteht. Auf einer Ebene, die keiner Worte bedarf, sondern auf Mitgefühl und logischem Verständnis für andere Menschen basiert, zwei Eigenschaften, die unabhängig von Herkunft und Kultur, sehr viel wiegen und manchmal Unmögliches möglich machen.
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