Advent mal ein bisschen anders.
Die Weihnachtstage sind vorbei und sowohl der Dezember als auch mein Praktikum hier im Angels Home neigen sich langsam aber sicher dem Ende zu. Etwas wehmütig schaue ich zurück auf die letzten 11 Wochen, in denen ich unglaublich viel erlebt habe. Vor allem der letzte Monat war besonders intensiv. Seit Anfang Dezember haben unsere Mädels nämlich Ferien und einige von ihnen sind für diese Zeit nach Hause gefahren.
Um den Mädels, die im Heim geblieben sind, die Ferienzeit so schön und abwechslungsreich wie möglich zu gestalten, haben Julia und ich zusammen mit unserer Managerin Teekshani einen Ferienplan entworfen. Für jeden Tag, außer sonntags, hatten wir etwas Besonderes geplant, wie zum Beispiel Besuche im Childrens Park, einem öffentlichen, schön angelegten Spielplatz oder im Kino, ein Tischtennis Turnier oder verschiedene Competitions. Besonders beliebt bei den Mädels sind die Strandtage, an denen wir alle zusammen (ja alle, auch das Personal ist mit Herz und Seele dabei) ausgelassen im Meer plantschen. Sogar die Mädchen, die sonst sehr schüchtern und in sich gekehrt sind, blühen im Wasser richtig auf und toben herum wie die Weltmeister. Und falls mal jemand einen auf wasserscheu macht, sind schon mindestens zwei Mädels bereit, um einen mit ins Wasser zu ziehen und nass zu spritzen.
Um für ein bisschen Weihnachtsstimmung zu sorgen, was bei 30 Grad und Sonnenschein gar nicht so einfach ist, bastelten wir zusammen Weihnachtsschmuck und bauten die Krippe auf, ein Brauch der christlichen Singhalesen. Außerdem hatten wir natürlich auch einen Tag zum Plätzchenbacken eingeplant. Unsere Ideen für den Weihnachtsschmuck wurden erstaunlich gut angenommen (den singhalesischen Geschmack zu treffen ist nämlich manchmal ziemlich schwer) und gegen unsere Erwartungen waren vor allem die Großen vom Basteln begeistert.
Beim Plätzchenbacken hingegen war die Begeisterung am Anfang nicht besonders groß. Julia wollte mit ihrer Gruppe die klassischen Butterplätzchen backen und bei mir stand Marmorgebäck auf dem Plan. Nach einer kleinen Aufwärmphase hatten die Mädels aber dann doch ihren Spaß und gaben ihr Bestes, um Julias Gruppe bei einem kleinen Battle in Aussehen, Geschmack und Geruch der Leckereien zu schlagen. Obwohl wir einige Schwierigkeiten hatten bei der warmen Außentemperatur die richtige Konsistenz des Teiges zu erreichen, wurden wir am Ende mit einem weihnachtlich duftenden Angels Home und köstlichen Plätzchen belohnt.
Nach tagelangem Vorbereiten und Packen von Geschenken, war es endlich so weit: Weihnachten stand vor der Tür. Anders als in Deutschland, feiert man in Sri Lanka Weihnachten erst richtig am 25. Dezember. Am Abend des 24. Dezembers putzen sich alle Mädels heraus, um sich dann enthusiastisch und viel zu früh um 9 Uhr auf den Weg zur Mitternachtsmesse zu machen. Diese begann nämlich erst eine geschlagene Stunde später und wir waren mit wenigen anderen Leuten die Ersten. Die Kirche war relativ groß und weihnachtlich geschmückt (ein bisschen Glitzer und Kitsch dürfen bei den Singhalesen nicht fehlen). Als es allmählich voller wurde war ich einerseits ein wenig froh, dass unsere Mädels nicht die Einzigen waren, die wie Disney Prinzessinnen gestylt waren, andererseits fühlte ich mich in meiner weißen Bluse beinahe underdressed. Es folgten zwei lange Stunden Gebete und Lesungen auf Singhalesisch, sodass es sowohl Julia als auch mir nach dem langen Tag schwer fiel die Augen offen zu halten. Als dann genügend Weihrauch verteilt war und auch schon einige Einheimische dem Schlaf verfallen waren, war der Gottesdienst zu Ende und alle versammelten sich vor der Kirche. Wir umarmten uns alle gegenseitig und wünschten uns „Merry Christmas“, im Hintergrund hörte man die ersten Feuerwerkskörper knallen und man war umgeben von glücklichen Gesichtern.
Noch mehr zum Strahlen kamen die Augen unserer Mädels jedoch, als sie bei der Ankunft im Heim die Geschenke unter dem Weihnachtsbaum entdeckten. Nach einem zögerlichen: „Can we open?“, begann das große Auspacken. Die neuen Sachen wurden gleich stolz herumgezeigt und anprobiert und auf allen Gesichtern war ein breites Lächeln zu sehen. Es war so schön zu sehen, wie sehr sich die Mädels über die Geschenke, die wir einige Tage zuvor ausgesucht und gepackt hatten, freuten und dabei keinerlei Neid gegenüber den Anderen zeigten. In Deutschland habe ich oft das Gefühl, dass die Leute versuchen sich mit ihren Geschenken gegenseitig zu übertrumpfen – Hauptsache ausgefallen und exklusiv. Viele Leute sind kurz vor Weihnachten im Stress und wissen nicht, was sie ihren Liebsten schenken sollen aus Angst nicht das „Richtige“ zu finden. Die Mädels hier aber freuen sich miteinander und gönnen sich ihre Geschenke gegenseitig. Keine mault rum weil sie mit ihrem Geschenk unzufrieden ist, sondern wenn etwas nicht passt wird „schwesterlich“ getauscht.
Mein persönliches Highlight der Weihnachtsfeiertage war der Morgen des nächsten Tages. Ein paar Tage zuvor hatten Julia, Teekshani und ich neben den Geschenken für unsere Mädchen auch kleine Pakete mit Klamotten, Stiften und Bonbons für die Kinder von der Beach Road gepackt. Die Beach Road ist die Küstenstraße hier in Marawila, in der viele Familien in ärmsten Verhältnissen und teilweise selbstgebauten Hütten wohnen. Um mit diesen Familien ein bisschen von der Weihnachtsfreude, die wir hier im Angels Home erleben, zu teilen und unseren Mädchen Werte wie Mitgefühl zu vermitteln, sollten unsere Mädels diese Pakete am Weihnachtsmorgen verteilen.
Ursprünglich sollten Julia und ich in dieser Zeit im Heim bleiben, da es hier in Sri Lanka, einem Land welches nach dem Tsunami mit Hilfen nahezu überhäuft wurde, von denen bei den wirklich Armen jedoch meist nur wenig ankam, leider oft einen komischen Beigeschmack hat wenn „Sudus“, also Weiße, Spenden verteilen. Da es bei über 40 Paketen aber am einfachsten war, diese mit dem Van zu transportieren, der glücklicherweise verdunkelte Rückscheiben hat, konnten wir Praktikantinnen zusammen mit Julia mitfahren und das Geschehen von der Rückbank aus beobachten. Eigentlich fand ich es schade, dass wir uns so „verstecken“ mussten, aber somit konnten wir wenigstens die Reaktionen der Anwohner mitbekommen. Nicht nur die Kinder, die die Geschenke bekamen, sondern auch unsere Mädels strahlten von einem Ohr zum anderen. Auch für sie, die sonst selbst Spenden empfangen, war diese Erfahrung des Gebens neu und alle hatten großen Spaß daran. Manche Mütter und Großmütter hatten sogar Tränen in den Augen als wir bei ihnen vor der Tür standen und auch bei uns dreien auf der Rückbank wurden die Augen bei diesem rührenden und herzwärmenden Anblick feucht. Wir waren uns einig: diese Erfahrung war das beste Weihnachtsgeschenk ever. Ich hatte das Gefühl etwas wirklich Sinnvolles getan zu haben und bin wirklich dankbar dafür das erlebt haben zu dürfen.
Alles in allem waren die Ferien einfach toll. Der Alltag war um einiges entspannter, was sich auch auf die Mädels übertrug, die zwar, wie immer, hier und da ein bisschen ihre Grenzen ausgetestet haben, aber insgesamt um einiges ausgeglichener als in der Schulzeit gewirkt haben. Schön war auch, dass man nun die Zeit hatte sich mit einigen Mädels intensiver zu beschäftigen und mehr über sie und ihren Charakter zu erfahren. Nun zu Ende der Ferien muss ich sagen, dass die Beziehung zu den Mädchen, mit denen ich die letzten drei Wochen verbracht habe, auf jeden Fall enger geworden ist. Wir haben viel zusammen erlebt, viel gelacht und Spaß gemacht, was einfach zusammenschweißt. Ich bin unendlich froh, dass meine letzten Wochen hier im Angels Home noch einmal so schön, intensiv und abwechslungsreich waren und ich bin mir sicher, dass mir mein immer näher kommender Abschied von den Mädels und der tollen Zeit hier nicht leicht fallen wird.
Viele Grüße Anna.
- Aufrufe: 2208