Willkommen in einer anderen Welt!
Seit etwa drei Wochen ist das Angels Home nun auch mein Zuhause. Ich bin endlich angekommen – nicht nur physisch sondern auch mit meinem Herzen.
Als ich vor zwei Wochen aus der Vorhalle des Flughafens von Colombo raus auf den Parkplatz trat, tauchte ich nicht nur in schwüle, heiße Luft ein, sondern auch in eine andere Welt. Sie ist bunt, laut, ein wenig chaotisch, voller Menschen, Tuktuks und Palmen, riecht ganz neu und ist auf ihre ganz eigene Art und Weise schön.
Da ich noch kein mir bekanntes Gesicht zwischen der Menge aus Taxifahrern, Singhalesen und anderen Touristen erkennen konnte, lief ich einige Male zwischen den zwei Ausgängen des Flughafens hin und her und musste dabei immer wieder denselben Taxifahrern erklären, dass kein Taxi brauchte. Dann endlich fuhr ein weißer Van vor, aus dem mir Julia zuwinkte. Nachdem mein Koffer und ich im Wagen verstaut waren, fuhr uns der Fahrer des Angels Home in Richtung Marawila. Nach etwa zehn Minuten hielten wir an und Julia kaufte zwei orangene Kokosnüsse für uns, die wir dann tranken. Das war genau die Erfrischung, die ich nach so einem langen Flug brauchte!
Im Angels Home angekommen wurde ich der anderen Praktikantin Audrey und dem Personal vorgestellt. Alle begrüßten mich sehr freundlich und mit einem breiten Lächeln, weshalb ich mich sofort willkommen fühlte. Die meisten Mädchen saßen grade bei den Hausaufgaben und schauten mich neugierig mit großen Augen an. Julia sagte, dass sie mich gleich beim Tee vorstellen würde, was ich jedoch falsch als: „Stell dich doch gleich mal vor!“ verstand. Also rief ich: „Hellogirls, my name is Anna!“ in die Runde, worauf ein lautes Gekicher ausbrach.
Den restlichen Tag zeigte mir Audrey ihre, und auch bald meine, Aufgaben. Immer wieder fragten ein paar Mädchen interessiert nach meinem Namen, meinem Heimatland oder meiner Konfession, sodass wir schnell ins Gespräch kamen. Am Nachmittag halfen alle mit, um das kleine Häuschen auf dem Spielplatz abzubauen, da es durch die hohe Luftfeuchtigkeit schnell baufällig geworden war. Abends fiel ich erschöpft, aber glücklich ins Bett und war froh, dass ich hier so lieb aufgenommen wurde, sodass ich mich gleich wohlfühlen konnte.
Nach zwei Wochen Angels Home fühle ich mich hier beinahe wie Zuhause und habe mich an den Tagesablauf, der meist schon um 4:30 Uhr beginnt gewöhnt. Ich kenne nun schon fast alle Namen der Mädchen und die anfängliche Scheu ist verflogen. Vor allem durch die täglichen Nachhilfestunden unter der Woche habe ich viele Mädchen besser kennengelernt. Ich habe außerdem viel Neues gesehen, wie Insekten, die ich bis jetzt nur aus dem Fernsehen kannte oder das traditionelle singhalesische „washing“ mit „cups“. Was zu Anfang alles noch ein wenig fremd war, gehört mittlerweile zu meinem Alltag dazu. Ich habe sogar schon einen Spitznamen bekommen: „Bella“. Die Mädchen sind sich nämlich einig, dass ich wie „Bella“ aus dem Film „Twighlight“ aussehe, den wir am Wochenende zusammen angeschaut haben.
Jeder Tag hier ist trotz des strengen Tagesablaufs anders und manche Tage bleiben einem besonders im Gedächtnis. So beispielsweise der Tag an dem eines der älteren Mädchen, Piumi, das Angels Home verließ, um von nun an bei ihrer Tante zu wohnen. Da Piumi vor kurzem 18 geworden war und somit nun arbeiten gehen kann, bot die Tante an sie bei sich aufzunehmen und in einer Textilfabrik als Näherin anzustellen. Das Mädchen nahm dieses Angebot an und so kam die Tante mit einigen anderen Familienmitgliedern, um sie abzuholen. Julia erklärte mir, dass die Mädchen selbst entscheiden dürfen, ob sie im Angels Home bleiben oder nicht.
Zum Abschied sagten einige andere Mädchen, Julia und Frank einige Worte, die Piumi mit auf ihren Weg geben wollten. Auch Piumi sagte ein paar Sätze. Danach gingen wir alle einzeln zu ihr und umarmten sie. Für mich persönlich war der ganze Abschied sehr bewegend. Man sah Piumi an, dass sie das Angels Home, welches ihr Zuhause und ihre Familie geworden war, vermissen würde. Und auch Julia, Frank, dem Personal und den anderen Mädchen merkte man an, dass es ihnen nicht leicht fiel sie gehen zu lassen. Abschied nehmen ist eben meistens schwer, aber man muss in seinem Leben immer wieder Menschen gehen lassen. Bei manchen fällt es einem leichter, bei anderen schwerer. Fest steht, dass wir damit leben müssen.
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