Steffis Reise kann beginnen
Nach meinen neun Wochen im Angels Home blieben mir genau noch 10 Tage, bevor ich meinen Rückflug in die Heimat antreten musste. Zum einen war ich gegen Ende meines Praktikums sichtlich traurig, als ich bemerkte, dass meine Tage im Heim von nun an gezählt waren. Zum anderen bedeutete das jedoch auch, dass meine eigene Reise durch die kleine Tropeninsel im Indischen Ozean endlich losgehen konnte!
Die vergangenen Wochen hatte ich bereits damit verbracht meinen Reiseführer sowie sämtliche Internetseiten zu durchforsten, um meine eigene Route für die letzten zehn Tage auf die Beine zu stellen. Was mich jedoch wahrscheinlich von einigen anderen Reisenden unterscheiden wird, ist die Tatsache, dass ich völlig davon überzeugt bin spontan die besten Entdeckungen zu machen. Ich buchte also zunächst die ersten zwei Nächte meiner ersten Unterkunft in Kandy sowie meine letzte Nacht in einem Hostel in Negombo, bevor es von dort aus wieder in Richtung Flughafen gehen würde. Alle weiteren Unterkünfte und Stationen habe ich mir recht offen gelassen, da man sich als Reisender niemals an einen zu strikten Zeitplan halten sollte - meiner Meinung nach jedenfalls
Frank und der neue Driver brachten mich am frühen Montagmorgen zu meinem Hostel nach Negombo. Nach vorheriger Rücksprache mit der Besitzerin des Guesthouses hatte ich die Bestätigung erhalten, meinen Koffer während der Reise in der Unterkunft abstellen zu dürfen, sodass ich mich mit leichtem Gepäck als Rucksacktourist auf den Weg machen konnte. Von Negombo stieg ich in den AC-Bus und erreichte nach etwa drei bis vier Stunden die Stadt Kandy, welche laut ihrem weltweiten Ruf die schönste des ganzen Landes sein soll. Als ich aus dem Bus ausstieg, musste ich zunächst feststellen, dass ich mit den zurückgelegten Kilometern ebenso in eine durchaus unterschiedliche Klimazone gefahren war. Die Außentemperatur von 34 °C sowie eine Luftfeuchtigkeit von schwülen 86 % wurden durch satte 22 °C abgewechselt bei etwa 65 % Luftfeuchtigkeit, welches mich anfangs durchaus überraschte. An der Bus Station versuchte ich zunächst in dem Wirrwarr aus Menschenmassen ein Tuk-Tuk zu meinem Hostel zu bekommen. Nachdem ich mit dem Fahrer einen geeigneten Preis ausgehandelt hatte, schulterte ich meinen Backpack in den Wagen, von wo aus ich meine eigene kleine Sight-Seeing-Tour durch die Königsstadt begann. Auf dem Weg zur Unterkunft kletterte das immer langsamer werdende Tuk-Tuk die steilen Berge hinauf, die das Herz der Stadt wie eine Art natürliche Mauern umrahmen. Wir machten an der immensen Bahiravakanda Buddha Statue halt, welche mit ihrer stattlichen Größe von etwa 30 Metern einen, wie es scheint, wachenden Blick über die ehemalige Königshauptstadt wirft. Die Aussicht von dort oben war erstaunlich und ich bemerkte nun auch, weshalb ich so viele Leute habe schwärmen hören, als sie mir von dieser Stadt erzählten. Kandy liegt in einem Tal, in welchem sich das wilde und bunte Leben abspielt. Das goldene Dach des berühmten Zahntempels ist selbst von hier oben zu erkennen. Daneben liegt der Kandy See, welcher ebenfalls aus der Zeit stammt, in der Kandy von dem letzten König Sri Lankas regiert wurde. Der Tuk-Tuk-Fahrer benannte mir die unterschiedlichen Bauten und Gebäude, sodass ich mir aus der Vogelperspektive eine perfekte Übersicht der Stadt verschaffen konnte.
Im Hostel angekommen traf ich auf eine spanische Familie sowie einen Engländer, die mit mir die einzigen Besucher des Hostels waren. In der Regenzeit und somit in der Nebensaison zu reisen, kann demnach auch unheimlich viele Vorteile bergen, da diese touristischen Stationen nicht allzu überlaufen sind und ich zudem ein eigenes Zimmer im Hostel beziehen konnte. Nachdem ich meinen Rucksack verstaut hatte, begleitete ich meine neuen Bekanntschaften wieder zurück in die Stadt. Wir sechs entwickelten uns zu einer perfekten kleinen Truppe, mit der wir gemeinsam die Straßen und Gassen Kandys in den darauffolgenden Tagen entdeckten und kennenlernten. Was wir alle erstaunend feststellen mussten, war die Tatsache, wie schnell sich die lebhafte Atmosphäre der traditionellen Märkte und der verwinkelten Straßen allmählich ausradierte, sobald die Dämmerung einsetzte. Rasch steuerten wir auf die letzten geöffneten Food-Restaurants zu, bevor auch diese ihre Rolltore zum Ladenschluss herunter ließen. Zusammen besuchten wir eine traditionelle Tanzshow, welche täglich in einem Theatersaal hinter dem großen Zahntempel aufgeführt wurde. Obwohl uns die eigentliche Geschichte, welche durch die verschiedenen Tänze und Kostüme zum Ausdruck gebracht werden sollte, bis heute ein Rätsel ist, so war es dennoch interessant einen neuen Blick in die fremde Kultur zu erhaschen.
Am frühen Mittwochmorgen brachen wir gemeinsam auf und begaben uns auf eine der schönsten Zugstrecken Südasiens. Unsere Bahnfahrt gestaltete sich als ein interessantes Erlebnis, ganz anders als in typischen Zügen der Deutschen Bahn. Musiker untermalten zeitweise trommelnd unsere Fahrt und ebenso konnten wir uns durch die bunte Palette an heimischen Leckereien und frischem Obst probieren, welche im Zug für bereits geringes Geld erhältlich waren. Ich stellte mich besonders gern in die Türen, welche während der gesamten Fahrt geöffnet waren. Der frische Wind und die Aussicht auf die umliegenden Teeplantagen sowie die immer größer werdenden Berglandschaften konnte ich von dort aus am mitreißendsten genießen. In Hatton verabschiedete ich mich von der spanischen Familie, welche weiter in Richtung Ella fuhren. Den Engländer Tom konnte ich davon überzeugen mich zum Adam’s Peak zu begleiten, da mir diese Wanderung, von allen die den frühen und durchaus anstrengenden Aufstieg bereits gewagt hatten, als ‚must do‘ eingeleuchtet wurde, wenn man sich auf einer Reise durch Sri Lanka befindet.
Am kleinen Bahnhof angekommen musste ich plötzlich feststellen, dass ich kein einziges Wort der Konversationen mehr verstehen konnte, die von Einheimischen geführt wurden. Nach meinen neun Wochen im Angels Home hatte man sich einige einfache singhalesische Wörter aneignen können und somit hatte ich immer die Möglichkeit grobe Gesprächsfetzen der fremden Sprache auffangen zu können. Nun realisierte ich jedoch, dass dies eine Gegend sein musste, in der ausschließlich Tamil gesprochen wurde! Wir suchten den Weg zur Bus Station und nahmen trotz zahlreicher Angebote der Tuk-Tuk- und Taxifahrer den lokalen Bus in Richtung Delhousie. Während Tom die zahlreichen Augen der Schulkinder durch seine Snowboardvideos zum Leuchten brachte, lernte ich eine ältere Frau kennen, welche mir stolz ihr Fotoalbum bestückt mit zahlreichen Postkarten präsentierte, das von den unzähligen Bekanntschaften mit Reisenden erzählte, die sie während ihrer Zeit als Guesthouse-Besitzerin kennengelernt hatte. Mit ihrer Hilfe fanden wir eine äußerst preisgünstige Unterkunft, welche direkt an einem Fluss gelegen war. Gemeinsam mit dem Tuk-Tuk-Fahrer des Guesthouses erkundeten wir die Umgebung des kleinen Ortes. Unser Ziel war es zu einem der umliegenden Wasserfälle zu kommen. Auf dem Weg dorthin durchliefen wir ebenso zahlreiche Teeplantagen und besuchten eine heimische Teefabrik, die uns anschaulich präsentierte, wie der Prozess vom gepflückten Blatt bis hin zum weltbekannten Tee vollzogen wird. Eine abschließende Kostprobe durfte natürlich ebenfalls nicht fehlen!
Am frühen Morgen starteten wir gegen 02:30 Uhr sichtlich müde, doch warm eingepackt und motiviert in Richtung Sri Pada, wie es von den Einheimischen genannt wird. Ein älterer Herr unseres Guesthouses hatte uns noch am späten Abend den Weg zum Aufstieg erklärt und ausdrücklich darauf hingewiesen, nicht die ersten Treppenstufen zu nehmen, sondern erst die darauffolgenden. Gesagt – getan! Wir liefen in einem strammen Tempo den Berg hinauf und konnten mit zunehmender Höhe den unglaublichen Sternenhimmel betrachten, der sich strahlend wie nie zuvor über unseren Köpfen auftat. Wenn ich an meine anderen Reisen zurückdenke, so war es womöglich der Abendhimmel in Tasmanien, welcher sich durch die immense Anzahl an Sternen, die man dort im Himmel erblicken konnte, am stärksten in meine Erinnerung eingebrannt hatte. Erstaunt musste ich jedoch feststellen, dass der jetzige Anblick vom Himmel diesen Moment womöglich bereits getoppt hatte.
Nach knappen zwei Stunden wurde unsere Wanderung durch ein lautes Hundegebelle unterbrochen, auf welches der Hinweis zweier Einheimischer folgte, dass wir uns auf dem falschen Weg befinden würden. Natürlich war uns aufgefallen, dass die besagten 5800 Treppenstufen noch nicht begonnen hatten, doch hatten wir wahrscheinlich den Weg durch die umliegenden Teeplantagen unter dem großen Sternenzelt zu sehr genossen, als das uns diese Tatsache stutzig gemacht hätte. Ernüchternd begaben wir uns wieder auf den Rückweg und der Hoffnung durch ein Wunder den Sonnenaufgang vielleicht doch noch pünktlich von dem Gipfel des Adam’s Peak beobachten zu können. Als wir nach einer weiteren Stunde den Fuße des eigentlichen Aufstiegs erreichten, wurden meine Füße bereits allmählich müde und machten jede Stufe, die ich auf dem Weg hinter mir ließ, zu einem anstrengenden Hindernis. Man sagt, dass man auf diesem heiligen Pilgerort keine bösen Gedanken haben soll, was jedoch nach unserem „kleinen“ Umweg nahezu unmöglich schien. Ich persönlich wandere unheimlich gerne, jedoch hätte ich mir niemals auch nur ansatzweise ausgemalt, wie furchtbar Treppen sein können!
Einen wirklichen Sonnenaufgang hat es leider nicht gegeben, da der komplette Berg in dichten Nebel und leichten Nieselregen verschleiert war. Enttäuschte Gesichter kamen uns entgegen, als wir uns dem Gipfel allmählich näherten. Viele rieten uns vom weiteren Aufstieg ab, mit der Aussage von oben sowieso nichts sehen zu können. Wir blieben unserem Ziel jedoch bei und stapften halb durchnässt weiter über die einzelnen Stufen. Wie ich nach etwa zweieinhalb Stunden die Spitze des Bergs erklommen habe, kann ich im Nachhinein nicht beurteilen. Ich weiß nur, wie unheimlich froh ich gewesen bin, Tom dabei gehabt zu haben, der mich trotz der tausendenden von Stufen und des kalt-nassen Wetters dazu gebracht hat positiv zu denken und weiter zu machen, wofür ich im Nachhinein unheimlich dankbar bin! Erschöpft und überglücklich erreichten wir die letzten Stufen und eine menschenleere Bergspitze, die außer einem Mönch und drei weiteren Bewohnern keine weiteren Wanderer mehr zurückgelassen hatte. Durch den Nebel fanden wir unseren Weg zur Glocke und schlugen sie sichtlich stolz nach unserem zurückgelegten Aufstieg. Wir genossen daraufhin einen Milk Tea und wärmten uns in einem winzigen Raum auf, den vier Männer bewohnten. Einige Zeit saßen wir dort und versuchten uns mit Händen und Füßen mit ihnen zu verständigen, bis ich plötzlich einen Blick zur Tür raus warf. Ich konnte meine Augen kaum trauen! Ich sprang auf und rannte dem blauen Himmel entgegen, der sich ganz allmählich durch die weiten Wolkenmeere auftat! Wir konnten unser Glück kaum fassen! Wer hätte gedacht, dass wir nach unserem unglücklichen Start und dem verpassten als auch nicht vorhandenem Sonnenaufgang doch noch so belohnt werden würden! Eine unglaubliche Freude überkam mich über die Tatsache, dass ich das schönste Panorama vor Augen hatte, welches ich jemals gesehen hatte. Bilder sagen mehr als tausend Worte und so hilft es am besten einen Blick auf meine Fotos zu werfen, die ich von dort oben machen konnte.
Es war ein atemberaubendes Erlebnis dort oben an diesem Ort über den Wolken zu verweilen und einen Ausblick zu genießen, der bis ins 140km entfernte Colombo reichte.
Ich könnte wahrscheinlich noch stundenlang von meiner Reise durch die Tropeninsel berichten. Ich hoffe jedoch, dass ich euch einen kleinen Einblick in meine letzten Tage in Sri Lanka geben konnte. Eine Reise durch ein kleines Stück Erde, das nicht unterschiedlicher und vielseitiger sein könnte und welches ich mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zum letzten Mal besucht haben werde! Nun geht es jedoch zurück nach Deutschland und zurück zu meinem Uni-Alltag, der mich jedoch dank meiner schönen Erinnerungen des Sommers deutlich einfacher ertragen lässt.
Ich verbleibe mit vielen herbstlichen Grüßen aus Siegen,
Steffi
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