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Glassklar Achive

Gehen, wenn es am schönsten ist.

Spaß am StrandGibt es nicht diesen paradoxen Spruch „Man soll gehen, wenn es am schönsten ist.“ 

Morgen ist es auch für mich so weit und nach kanppen 3 Monaten, in denen die Mädchen wie meine Familie wurden, Schwestern und Freundinnen,und das Angel`s Home mit Frank und Julia mein Zuhause war, gehe ich wieder. Wie so viele Praktikantinnen.

Noch sitze ich hier mit Blick auf das Meer durch den Palmenwald und höre neben dem trommelnden Regen die Kinderstimmen zu mir durchdringen.

Priyanka bei GartenarbeitNoch ist es für mich nicht wirklich, dass ich die Mädchen morgen früh das letzte Mal aus dem Schlaf hole oder mit den Händen essend mit Julia am Mittagstisch sitze, die Mädchen das letzte Mal bei Gartenarbeit zum Besenschwingen anspornen muss oder ihre schon hellwachen Stimmen das morgendliche Gebet singen höre. Ihr Alltag wurde zu meinem Alltag.

Es ist also schon 2 ½ Monate her, dass ich meinen ersten Tagebucheintrag geschrieben und über all` die neuen exotischen Eindrücke berichtet habe. Nun scheint es für mich verwirrender eine Gabel in der Hand zu halten, wenn ich doch einfach meine Finger nehmen kann, die Vorstellung Schuhe anzuziehen beschränkt sich höchstens auf FlipFlops und ohne Chillis im Gericht ist die Kost nicht würzig genug.

Sashini und PrathanaDoch am erschreckensten ist für mich natürlich der Gedanke wie es ohne 57 kleine Schwestern sein wird. Ohne das laute singhalesische Gebrabbel und Getratsche aus all` den vielen Mündern, ohne die vielen kleinen Hände, die deine suchen oder die vielen verschiedenen Gesichter und lächelnde Münder, die egal woran du gerade denkst auch dir ein Lächeln ins Gesicht zaubern können.

Es gab neben den unzähligen, wunderschönen Momenten natürlich auch unglaublich viele in denen das Lächeln weichen musste und man auch dem süßesten Mädchen das freche Grinsen aus dem Gesicht wischt, welches bei Theekshanis strenger Stimme im Hintergrund einem etwas erschrockenen und reuevollen Blick weicht.

So sind doch auch die meisten meiner geringen Singhalesischkenntnisse dazu zu gebrauchen die Mädchen aufzuwecken, zum beeilen anzutreiben oder wegzuschicken.

Diese Momente zählen trotz allem nur halb so viel wie das, was die Mädchen einem während der Zeit hier geben.

Tempel in ChilawSie haben mir einen Stolz gezeigt, den es in der deutschen Mentalität nur selten zu finden gibt und mir mit Traditionen und Überzeugung einen anderen Blickwinkel auf Religionen und Glauben eröffnet.

Sie haben mir gezeigt, wie schön es ist einfach in einem Moment zu leben und vorallem die kleinen Dinge groß zu sehen.

Es sind in meinem Kopf die schönsten Bilder von den feinen, kleinen Momenten, wenn Sandiya beim waschen Seifenblasen mit dem Mund zaubert, während sich Salani eine schaumige Igelfrisur macht.

Praktikanntinen beim VolleyballZu beobachten, wie Sewandi den Volleyball mit dem stärksten Aufschlag trifft und dabei aussieht als würden sie einen eleganten Tanz vollführen.

Von Nandika das erste mal aca (große Schwester) genannt zu werden, während du beim spielen und lachen mit den vielen Mädchen lernst nochmal ein Kind mit bunten, leuchtenden, sorglosen Gedanken zu sein, in denen die Perfektion eines Sandkuchens am meisten zählt.

Mit den Mädchen Weihnachtskarten zu basteln, was eher einem riesen Glitzerchaos ähnelt und am Strand beim Toben im Salzwasser mitten drinne zu sein.

So habe ich mit ihnen zu der anmierenden Musik aus dem Radio getanzt und in den meisten Momenten gelacht, doch auch die traurigen und schmerzvollen Momente geteilt.

 Mit TheekshaniEin Teil der großen RasselbandeNachdem ich im Oktober hier herkam gehen ich nun wieder... Mit über 60 neuen Menschen im Herzen, wobei jeder seine eigene Geschichte erzählt und mit einem anderen Lächeln durch die Welt geht.

Ehrlich gesagt fällt mir das Schreiben dieses Berichtes schwer, denn es ist unmöglich all` die Eindrücke und Momente darin einzubauen. Mit jeder Zeile fällt mir noch ein Detail ein, welches zum Leben hier dazugehört. Noch schwerer fällt es mir, da ein Abschied noch nicht in meinen Gedanken ist und der Wunsch zu gehen erst recht nicht.

Doch ab morgen werde ich zu den „ehemaligen Praktikantinnen“ gehören und zu oft habe ich gedacht wie schade das Kommen und Gehen ist, was einen zu einer von vielen macht. Allerdings ist mir nun auch klar, dass es viel mehr wert war wenigstens für knappe 3 Monate die „derzeitige Praktikantin“ gewesen sein zu dürfen und in dieser Zeit als kleiner Teil am Leben der Mädchen und dem Projekt Teil gehabt zu haben.

Es ist beeindruckend mit welcher Herzlichkeit und Ausdauer Frank und Julia dieses Projekt aufebaut haben und seit dem Tag für Tag und Jahr für Jahr dafür kämpfen.

Mit den Mädchen im TempelDanke für alle fröhlichen, lustigen, albernen, berührenden, traurigen, ernsten, erlebnissreichen Momente an dem Ort, der für mich gerade am schönsten ist. Ich werde nicht nur in 3 Tagen, am Weihnachtsmorgen an euch denken, wenn die Mädchen ihre Geschenktütchen auspacken, die ich mit den anderen Betreuerinnen gefüllt habe, sondern in vielen Momenten, wenn mich ein kleines Detail oder Kinderlächeln an diesen wundervollen Ort zurück denken lässt!

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