Hoffnungsvolle Blicke
Freitagabend, es dämmert bereits und alle Mädchen gehen Richtung Waschpaltz. Alle außer Achini, diese sitzt auf den kleinen blauen Holzpflölen am Tor und schaut mit hoffnungsvollen Blicken Richtung Tor. Jeden Tag bis Montag saß sie dort und ersehnte ihren Vater.
Auf Sri Lanka sind Ferien, die Kinder müssen nicht zur Schule und genau wie überall auf der Welt freut man dich auf freie Vormittage, langes Schlafen (6:30) und jede freie Minute spielen oder die Tage vor dem Fernseher verbringen. Für einige Mädchen im Angel`s Home bedeutet dies allerdings noch etwas anderes. Die Hoffnung für Ferienlänge nach Hause gehen zu dürfen. Es sollten also am 2. Advent etwa die Hälfte der Mädchen von Verwandten abgeholt werden, um die Zeit der Ferien mit ihnen zu verbringen.
Schon am Tag zuvor wurden fleißig Bettbezüge gewaschen, Schränke aufgeräumt und natürlich Taschen gepackt, damit diese am nächsten Tag bei der Abreise bereit stehen.. So kam der Sonntag und somit der Tag, der für viele Mädchen nichts anderes bedeutete, als auf das Klingeln am Tor zu warten. Erklang dieses, so hoben sich alle Köpfe und jedes Augenpaar schaute erwartungsvoll Richtung Tor. Die Hoffnung leuchtete auf. Für einen kleinen, feinen und nur all` zu süßen Moment leuchtete sie, bis man sah wer durch das Tor trat. Nun gibt es ein Mädchen, im Fall von Geschwistern zwei, deren Gesichter strahlen vor Glück und mit leuchtendem Gesicht entweder zur Begrüßung aufspringen oder schnell zum Schrank eilen, das schönste Kleid aus dem Schrank ziehen, Haaröl reinmachen und nun frisch zurecht gemacht zu den Verwandten laufen. Dies alles geschieht in größter Hecktig. Denn wahrscheinlich nicht bewusst, doch irgendwo in ihrem Herz vorhanden, sieht man den Mädchen noch immer die Angst an, der ersehnte Besuch könnte auf einmal seine Meinung ändern und wieder verschwinden. Ohne das Mädchen.
Während dieses Mädchen in Gedanken voller Freude bereits an Zuhause denkt und wenige Momente später mit Großmutter, Vater oder Mutter Hand in Hand aus dem Tor geht, haben sich 25 andere Köpfe wieder hoffnungslos Richtung Boden gesenkt.
Bei jeder Bewegung am Tor hebt sich das Haupt, die bereits vereinzelt laufenden Tränen werden hastig weggewischt und erneut blitzt leichte Hoffnung auf.
Diese wird für die meisten immer wieder enttäuscht, während ein glückliches Mädchen von dannen zieht. Mit jedem Mal hebt sich der Kopf etwas weniger, die Stimme wird matter und die Enttäuschung größer. Auch den 4 Damen, die mit mir auf der Bank warten, von welcher man perfekte Sicht Richtung Tor hat, ergeht es nicht anders.
Nandikas Kopf liegt gebettet auf meinem Schoß, er hebt sich nur schwach und die Tränen kullern aus ihreren Augen. Neben uns warten auch Kawshaliya, Chethana und Piumi Nissansala sehnlichst auf Verwandtschaft. Sie sitzten in einer Reihe auf der Bank, den Rücken durchgestreckt und die Hände vor der Brust gefaltet. Aus den Mündern ertönt im Einklang ein Gebet. Jede betet für die andere mit und der Schmerz wird geteilt.
All diesen 4 Mädchen wurde der Aufenthalt Zuhause, sowie das Abholen am Sonntag versprochen. Alle 4 Mädchen wurden enttäuscht und das Gebet an diesem Tag nicht mehr erhört.
So warten etwa 30 unserer 60 Mädchen auf den selben ersehnten Moment, doch nur 8 durften ihn erleben.
Der Rest gab die Hoffnung auf, der Kopf blieb gesenkt und nur wenige erhoben ihn am nächsten Tag mit erneuter Hoffnung Richtung Tor.
So erlebe ich hier, wie unselbstverständlich es ist Eltern zu haben, die einen nicht vergessen und zu denen man immer ohne Frage zurückkommen kann. Leider kennt keines unserer Mädchen solche Eltern oder Verwandte und keine kennt dieses Gefühl. Manche Mädchen erlebten Dienstag Abend eine freudige Überraschung, als das Telefon klingelt und angekündigt wird, dass das Versprechen am folgenden Tag nun doch noch erfüllt würde. Allerdings sind das nur Einzelfälle und so wurden die meisten Eltern von einem Regenfall oder den bloßen Vergessen abgehalten ihre Tochter über die Weihnachtstage zusich zu holen.
Würde man die Mädchen nach einem sehnlichsten Weichnachtswunsch fragen, dann würde es sich tief in ihrem Herzen nicht um eine Barbie, ein buntes Kleid oder neues Shampoo handeln. Es wäre wichtiger eine Familie zu haben, die trotz eines Monsumregens jedes Versprechen einhalten.
Doch glaubt nicht hier im Angel`s Home würde man die Ferien wie ein kleines Häufchen Elend verbringen! Die 37 Mädchen, die bei uns geblieben sind machen mit uns Ausflüge an den Strand oder zur Kirche, man isst genüßlich Eis am Stiel oder gibt volle Kraft beim Cricketspielen im Hof!
Somit drehen sich die Gedanken um das Salz im Haar, das schmelzende Eis oder die Fortsetzung der Lieblingsserie und das schmücken eines Weihnachtsbaumes.
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