Liebe Sandyia
Was hatten wir für einen Sommer! Wir haben beim Singen und Tanzen den „Angels Home next Superstar" gekürt, zusammen im Tempel gebetet, uns bei Brennball und Tischtennis und vor allem dem Lieblingsspiel der großen Mädchen Volleyball ausgepowert. Unendlich oft haben wir beiHalliGalli auf die Klingel geschlagen, Memory und Mikado gespielt, knifflige Puzzle zusammengesetzt und Dominosteine zu bunten Straßen gefügt.
Wie oft hast du während der Gartenarbeit mit zwei Besen in der Hand auf mich gewartet und als ich dann auch endlich die Teatime beendet hatte, mir mit deinem unwiderstehlichen Teddybär-lächeln den Größeren der beiden in die Hand gedrückt und gefragt: „Youandmetogether, okee?" Ja Sandyia, natürlich will ich mit dir das Laub vom Hof kehren, Verstecken spielen, am Strand lachend in die Wellen hüpfen, dich morgens mit leichtem - und wenn's sein muss- auch mal festerem Rütteln wecken, dir dabei zu lächeln, wenn du deine Haare beim Waschen zu einer Irokese formst und dein Gesicht über und über mit weißem Schaum bedeckt ist, sodass man nur noch deine dunklen Augen und dein weißes Lächeln ausmachen kann.
Weißt du noch den Tag, als wir dem großen Spielplatz einen Besuch abgestattet haben? Wie wir uns in den schon zu vollen Bus quetschen und knapp 40 Kinder darin verstaut werden konnten, bleibt mir bis heute ein Rätsel. Am Spielplatz habt ihr die bunten Wippen, Schaukeln, Drehkarusselle und Klettermöglichkeiten mit lautem Geschrei und ganz viel Ausgelassenheit begrüßt. Ihr hattet alle so viel Spaß dabei, euch immer wieder und immer schneller herumwirbeln zu lassen, dass euch der Wind nur so um die Ohren pfiff.
Erinnerst du dich, einmal in den Ferien haben wir ein Sportfest gefeiert mit verschiedenen Stationen von Sprinten über Weitspringen, Seilspringenund zielgenaues Werfen bis hin zu unserem Hindernislauf, der euch allen -eurem Gejubel und Lachen nach zu beurteilen- am meisten Spaß gemacht hat. Und du, liebe Sandyia, warst in der Gewinnermannschaft! Nachher hast du mir fröhlich zugerufen „i winner, i winner!" und mir voller Stolz die gewonnen Süßigkeiten präsentiert.
Wie oft hast du meinen Bauch abgetastet, um mir dann, wenn ich mittags mal wieder ein bisschen zu viel Reis in mich gestopft habe, ganz charmant mitzuteilen „todayyou're a littlebitfadder!" Aber, liebe Sandyia, Essen ist doch das halbe Leben?!
Ganz selbstverständlich nimmst du meine Hand in deine, weiß in braun, klein in groß. Und jedes Mal wenn dich dabei ein Anflug von Zärtlichkeit überkommt, du mit deinem kleinen Daumen über meine Handinnenfläche streichst, dich in meinen Schoß wirfst und mir Küsse auf die Backe drückst, kriege ich, meine liebe Sandyia, Gänsehaut und frage mich, wo du diese unglaubliche Zärtlichkeit gelernt hast - hattest du doch nie eine Mama, die dich abends in den Schlaf gesungen und morgens beim ersten Zwitschern der Vögel mit einem Kuss geweckt hat.
Abends wenn ich mich zu euch buddhistischen Mädchen zum Beten gesellt habe, hast du mich mit großen Augen angeschaut. Warum bete ich denn nicht unten mit den katholischen Mädels??, ließ sich von deinen Lippen, deinen fragenden Augen lesen. Wenn ich ehrlich bin, liebe Sandyia, dann gefallen mir eure Gesänge besser. Ich mag eure hingebungsvolle Art zu beten, wie ihr die Augen schließt und eure Arme ausbreitet, mit der Stirn den Boden küsst und niederkniet - ihr vor euren Gottheiten und ich vor irgendetwas das größer ist als ich, vielleicht dem Leben selbst.
Deine Claudia
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