Auch die Sonne im Paradies wirft ihren Schatten
Vor zwei Wochen gab es einen, diese Woche gab es bereits zwei und vor drei Wochen sogar drei: Freitag, 13. Wie das sein kann? Nun, in Sri Lanka, dem ewigen Paradies von Sonnenschein, Palmen und Kokosnüssen gibt es Tage, an denen einfach nichts funktionieren und alles schief gehen will – wie an einem dieser schwarzen Freitage, die für Abergläubische 24 Stunden reinstes Unglück bedeuten.
Bei uns im Angels Home – und hier ist niemand abergläubisch – geht man mit europäischer Motivation an den Start jedes Tages, man steht pünktlich auf, erledigt die vorgeschriebenen Aufgaben in flottem Tempo, ist freundlich, ehrlich, voller Tatendrang. Nicht so sehen es manche Menschen hier, die es sich zum Ziel gemacht haben, so viele Steine wie nur irgend möglich in den Weg von Frank und Julia zu legen: beabsichtigte Probleme mit der Aufenthaltsgenehmigung, ewig lange Wartezeiten, falsche Auskünfte, Lügen.
Ich liebe fremde Kulturen, neue Ansichten, frischen Wind, der in mein Alltagsleben bläst; allerdings habe ich schnell gemerkt, dass wir westlich Denkenden schnell mit der Einstellung der Einheimischen in Sri Lanka kollidieren, insofern wir nicht den Fuß vom Gas nehmen und uns dem singhalesischen Flow anpassen.
Mir macht es nichts aus über eine halbe Stunde auf unser telefonisch bestelltes Tuc-Tuc zu warten (ganz á la Hermann Hesses Siddharta habe ich es mir sogar zur Aufgabe gemacht, die drei Grundregeln der Samanas zu erlernen und das Fasten, Denken und Warten zu beherrschen; Anmerkung: mit dem Fasten wird das nichts werden, das Essen schmeckt hier einfach zu gut). Wenn es allerdings darauf ankommt, ob man es rechtzeitig zu einem Termin beim Präsidenten, an den Flughafen oder zu einem Onlinemeeting mit deutschen Sponsoren schafft, kann man eben nicht einfach warten. Viele Singhalesen haben aber eine anderes Pflichtbewusstsein und scheinen dies nicht verstehen zu wollen oder zu können und so werden die Nerven von Frank immer aufs Neue strapaziert.
Seit Tagen bekommen wir nun keine Internetverbindung zu Stande. Niemand hebt ab, wenn man anruft. Wenn man dann tatsächlich jemanden an den Hörer bekommt, heißt es, dass der Fehler nicht an dem Server sondern an unserem Computersystem läge – reinster Unsinn! Außerdem könnte man uns nicht sagen, wann das Problem behoben werden kann, schließlich hätten wir einen Feiertag; ein Feiertag und das Land steht still. Dass Frank ohne Internet aber nichts schaffen kann, dass dringende E-mails auf ihre Beantwortung warten und er vielleicht auch einmal seine Familie zu Hause grüßen möchte, daran denkt niemand.
Wir sind es gewohnt, dass der Kunde König ist. Hier, allerdings, wird man noch beschimpft und belächelt, wenn man einen Fahrer nach wiederholtem Nicht-Auftauchen, sexueller Belästigung oder absichtlich falsch berechneten Fahrtkosten nicht mehr bucht, man ein Essen nicht bezahlen will, weil es komplett versalzen ist, oder einen Arbeiter entlässt, weil er seinen Job nicht ordentlich macht oder nur sporadisch auftaucht.
Seit Jahren hält Frank Kontakt zu den Behörden und seit Jahren bekommt er die Bestätigung, dass die Straße zum Kinderheim repariert und von ihren gefühlten zehntausend Schlaglöchern befreit wird. Seit Jahren wird geredet: „Der Worte sind genug gewechselt, laßt mich auch endlich Taten sehen. Indes ihr Komplimente drechselt, kann etwas Nützliches geschehn." – diese Ansicht zählt wohl nur in Goethes Faust. Wir haben eine kaputte Straße, in der Regenzeit laufen die Löcher mit Wasser voll, die Kinder haben weiße Schuluniformen. Ihr könnt euch die Resultate vorstellen! Verdreckte Uniformen sind aber nicht das Ende. Anschließend kommen Anrufe von den Schulen, die da meinen, wir würden die Kinder nicht adrett genug losziehen lassen und wären demnach selber Schuld, wenn die Lehrerschaft unsere Mädchen mit Schlägen züchtigen müsse.
Das Problem, das ich schon ausmachen konnte, liegt darin, dass die Einheimischen denken, wir Weißen (und das ist nun keinesfalls rassistisch gemeint, aber wir sind auf Grund unsere Hautfarbe bunte Hunde) hätten Millionen auf dem Konto und wären zu geizig zu teilen. Und wiederum stellt sich mir die Frage, ob Sri Lanka nicht weiß, dass auch westliche Studierende kaum Geld haben und wieso manche Singhalesen nicht weit genug denken, um einzusehen, dass auch Frank – der ein Kinderheim alleine durch Spenden finanziert – auch nicht leben kann wie Gott in Frankreich (ihr erkennt den Witz?).
Deswegen seid dankbar für den Standard, den wir in Europa haben und denkt immer daran: wo ein Wille ist, ist auch ein Weg – schließlich schafft es Sri Lanka auch immer wieder ein Dansal (Buddhistisches Vollmondfest) für hunderte von Menschen zu organisieren und es stets zu bewältigen, dass allesamt satt werden, was bedeutet: jeder kann, wenn er nur will!
Alles Liebe,
eure Sarah
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