Wie vor 50 Jahren
Die leben doch wie vor 50 Jahren,
hört man manchen Europäer sagen,
wo wir im Westen über Probleme klagen,
würden es die Engel gar nicht erst wagen.
Natürlich gibt es in einem Schwellenland wie Sri Lanka nicht den täglichen Luxus, den wir aus Europa kennen, den wir schätzen auf Grund seiner Eigenschaft, uns das Leben zu erleichtern; den wir aber oft auch verteufeln, da uns Handy, Internet und Kameras stets abrufbereit, funktionsfähig, überwachbar halten. Es scheint, als muteriten wir nach und nach zu Robotern, Maschinen, die reibungslos verrichten, was sie zu tun haben, die aber auch verlernen Mensch zu sein, Fehler zu machen, sich zu entwickeln, sich freuen zu können, zu fühlen.
Die Mädchen hier im Angels Home folgen auch einem sehr (manches Mal vielleicht etwas zu) straffen Tagesablauf: aufgestanden wird um 5 Uhr, worauf Morgensport folgt, dann ein Tässchen Tee und der erste Waschgang im Badezimmer, eine Gebetssession und Gartenarbeitfolgen, es wird aufgeräumt und geputzt und anschließend bereitet man sich auf die Schule vor – und das war erst der Morgen! Dieser strikte Ablauf verhilft den Mädchen zu ihrer Selbstständigkeit, bereit sie auf das Leben nach dem Kinderheim vor. In jedem Punkt ihres Tageszeitplanes werden die Fähigkeiten der Kinder ausgebildet, gefördert und nicht durch teure Maschinen ersetzt.
Da die eingebauten Duschen nur in der Regenzeit genutzt werden, wäscht man sich hier ganz old school an einem großen Wasserbassin – und das in der Gruppe.
Die Waschmaschine ersetzt durch Wasser und gelbe Seife, schrubben die jungen Damen täglich ihre Schuluniformen und ihre Freizeitkleider, am Freitag sogar ihre Schuhe samt Bändern. Wie bei alten Waschweibern wird in der Runde getratscht, gelacht und Konflikte über den Verbleib der Waschtröge ausgetragen.
Der Wäschetrockner – ihr mögt es euch denken können – ist eine meterlange Leine auf der die Wäsche in der singhalesichen Hitze dampft. Als Außenstehende empfindet man diese tägliche Waschaktion anfangs als riesiges und dennoch organisiertes und durchaus auch funktionierendes Chaos.
Nach dieser ganzen Wascherei grummelt verständlicherweise der Magen: gekocht wird auf einer Feuerstelle mit Brennholz und Kokosschalen, der Tee köchelt auf einem kleinen Gasherd vor sich hin.
Wenn alle Münder gestopft sind (und hier muss wirklich niemand Hunger leiden, dafür wird stets gesorgt), werden Blechteller und der Plastikbecher fein organisiert in die Spülmaschine sortiert: Finde den Fehler!
Hier zu sein und live mitzuerleben, wie die Kinder sich über ein altes, zerknautschtes Spiel freuen, ihre Extase zu spüren, die entsteht, wenn man sie fotografiert und die gemeinschaftliche Akzeptanz des ewig selben Fernsehprogrammes (Hauptsache, man darf überhaupt ein Weilchen in die Röhren schauen und die schweren Beine von sich strecken), ermöglicht mir einen neuen Blickwinkel auf unser gehetztes Leben zu Hause, obwohl es auch hier sehr routiniert zugeht – und doch irgendwie anders.
Natürlich gibt es ihn auch hier, diesen bösen Geist,
der da Anspannung, Stress, gar Zeitdruck heißt,
und dennoch ist er anders als bei uns,
menschlich zu bleiben, das ist die Kunst.
Eure Sarah
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