Reflektion nach 2 Monaten Praktikum
Vor noch gerade Mal 14 Tagen stand ich vor der Aufgabe, mich von 50 Mädchen und deren Betreuerinnen zu verabschieden. Seitdem bin ich durch halb Sri Lanka gereist, habe viel gesehen, gut gegessen und tolles erlebt. Kaum vorstellbar, dass es wirklich erst zwei Wochen sind.
Irgendwie ist es gar nicht so einfach das Erlebte zu reflektieren, denn für mich hat das Praktikum genauso abrupt geendet, wie es angefangen hat. Ich konnte mich zwar zwei Monate auf das Ende einstellen, war dann aber doch ziemlich überrascht als es soweit war. Mein letzter Tag im Angels Home ist nun beinahe zwei Wochen her. Einerseits eine Ewigkeit, andererseits erscheint es mir auch wie gestern.
Ein prägender Moment war, als circa 16 Kinder krank waren. Die Betreuerinnen haben ihr Bestes gegeben, die Mädels gefüttert, gepflegt, gewaschen, Medizin organisiert und sind am Ende selbst krank geworden. Auch heute noch, wenn ich krank bin erinnere ich mich zurück, wie es war als man Kind war. Das über den Kopf streicheln einer Mutter, wenn man krank ist hat glaube ich mehr Wirkung als jedes Medikament. Egal, was die Betreuerinnen auch machen, dieses Gefühl kann man nicht geben. In diesem Moment hatte ich solches Mitleid mit den Mädchen, dass ich sie regelmässig besuchte, ihnen etwas Zuneigung schenkte und als sie wieder fitter waren habe ich ihnen Bücher vorgelesen und etwas mit ihnen gespielt – mit dem Ergebnis, dass auch ich dann mit Fieber im Bett lag
Grossen Respekt habe ich vor der Arbeit der Betreuerinnen. Teilweise sind sie 24 Stunden im Heim, stehen mit den Kids auf und gehen mit ihnen ins Bett, haben kaum Privatsphäre, sind ständig abrufbar und umzingelt von Kindern.
Es dauert ja immer einen Moment, bis man sich in ein Team integrieren kann, wenn es dann auch noch im Ausland ist und man mit den Gepflogenheiten nicht vertraut ist, normalerweise noch länger. Aber die Mitarbeiter im Angels Home haben mich so gut aufgenommen, dass ich mich schnell als Mitglied ihres Teams gesehen habe. Ich hatte das Gefühl, wir ziehen an einem Strang und wollen gemeinsam nur das Beste für die Kids erreichen.
Jede der Mitarbeiterinnen übernimmt eine wichtige Rolle bei den Kindern. Es gibt meiner Meinung nach zwei Typen von Betreuerinnen: die einen, die eher streng sind, die Spinde kontrollieren, Strafen verteilen und versuchen Disziplin und Ordnung in den Flohzirkus zu bringen. Und die anderen, die den Kleinen die Zähne putzen, die sie verarzten und die Tränen trocknen – also die, die fürs Seelenheil zuständig sind. Zusammen mit der Managerin und der „Matron“ ergeben sie eine perfekte Mutter und jede Einzelne von ihnen macht einen ganz tollen Job.
Ein sehr schönes Erlebnis war, als ich mich am Schluss bei allen für die Zusammenarbeit und die Zeit, die ich mit ihnen verbringen durfte bedankte und was ähnliches sagte, wie ich soeben geschrieben habe. Die Managerin bedankte sich ebenfalls bei mir und meiner Mithilfe und meinte, sie hätte es toll gefunden, dass ich sie auch Mal kritisiert hätte und ihnen gesagt hätte, wenn ich etwas nicht so gut gefunden habe. Und ich habe mir zu Beginn viele Gedanken gemacht, ob ich das überhaupt machen sollte, nicht, dass ich 8 Wochen lang als gedisster Aussenseiter rumlaufe, weil ich was gesagt habe – aber es ging ja auch für mich um die Kids.
Der Abschied von den Kindern ist mir schwer gefallen. Ich habe so viel Zeit mit ihnen verbracht und sie sind mir alle sehr ans Hertz gewachsen. Zu wissen, dass man sie vermutlich nie mehr sehen wird und auch zu keiner weiterhin Kontakt haben wird war für mich sehr schwierig.
Bei der Verabschiedung am Donnerstagabend habe ich gemerkt, dass die Kinder da schon eine ganz schöne Routine haben. Ob das gut ist, weiss ich nicht, auf jeden Fall gehen sie distanzierter damit um als ich ;-) Auf jeden Fall hoffe ich für sie, dass sie nicht das Gleiche bei jeder Praktikantin die geht durchmachen, wie ich an diesem Abend.
Das Gute-Nacht-sagen war dann noch ne grosse Hürde. Die Kleinen lagen, oder sollten zumindest bereits in ihren Betten liegen und ich hab jedem einzeln noch eine gute Nacht und süsse Träume gewünscht. Als ich bei Kumari ankam dachte ich zunächst, sie schläft schon. Also streichelte ich ihr wie immer über den Rücken und sagte ihr Gute Nacht. Da spürte ich, dass sie gar nicht schlief, sondern weinte – so wie ich eigentlich auch. Wie soll man da einen trösten. Ich bin ihr dann über die Wange gefahren, hab ihr die Tränen weggewischt und ihr gesagt, sie solle doch nicht weinen. Ich musste ihr dann versprechen, dass ich es auch nicht tun werde und sie hat mir die Tränen von der Wange gewischt. Ein ganz bewegender Moment. Kumari ist das leicht behinderte Mädchen, das mich beim Kinobesuch vor dem Alkoholiker gerettet hat und mir in den letzten Wochen regelmässig Mangos geschenkt hat, weil sie wusste, dass ich die so gerne habe.
Meine Motivation für das Praktikum war es ja ursprünglich, etwas zurückzugeben, von dem, was ich bekommen habe. Ob mir das gelungen ist, weiss ich nicht. Während meiner Zeit im Angels Home habe ich versucht auf die Mädchen einzugehen, ihnen Zeit zu schenken und ihnen etwas zu geben, für das im Alltag der Betreuerinnen kaum Zeit bleibt – uneingeschränkte Aufmerksamkeit.
Ich werde mich auch nicht an jedes einzelne Kind erinnern können. Aber das Zusammenleben mit ihnen, das Lachen und die Freude, die man auf ihre Gesichter zaubern konnte, das werde ich wohl nie vergessen. Und natürlich gibt es unzählige solcher Geschichten wie Kumari und die Mangos, an die ich mich immer wieder erinnern möchte.
Insgeheim hoffe ich natürlich, dass sich das eine oder andere Mädchen mal an mich erinnern wird, dass ich irgendwo im Angels Home eine kleine Spur hinterlassen habe – bei mir hat diese Zeit auf jeden Fall eine Spur hinterlassen.
Obwohl ich glaube, dass ich das Ausmass der Erfahrung erst vollends greifen kann, wenn ich wieder zuhause bin und dort wieder ein Stück Alltag erlebe. Erst dann werde ich feststellen, wie mich dieses Praktikum verändert hat. Heute kann ich auf jeden Fall schon sagen, dass es eine sehr intensive Zeit war. Voller Emotionen und vor allem so anders wie mein Alltag zuhause.
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