Von Wurzeln und Tränen
Eine Vielzahl der Mädchen im Angels Home hat das Glück noch Verwandte zu haben oder sogar Mama und Papa, die alle 4 Wochen zu Besuch kommen. Letzten Sonntag war dies wieder der Fall und ich hatte die Möglichkeit die verschiedenen Reaktionen der Mädchen zu beobachten.
Es ist auf jeden Fall positiv zu sehen, dass viele Eltern noch zu Besuch kommen und den Mädchen zu zeigen, dass sie sie nicht im Stich lassen und immer noch wissen wollen wie es ihnen geht. Die Kinder bekommen so wieder Kontakt zu ihren Wurzeln, sie sehen wo sie herkommen und, dass dort noch jemand an sie denkt. Teilweise kommt aber nicht nur die Mama oder der Papa, auch Großeltern und Geschwister kommen zu Besuch. Es wird von den vergangenen Wochen berichtet, mit den Geschwistern gespielt und einfach beieinander gesessen. Eine sehr schöne Stimmung herrscht auf den „Besucherbänken“. Da gibt es ein Lob von den Eltern für erbrachte Leistungen oder Süßigkeiten, die stolz an alle Kinder verteilt werden.
Es gibt aber auch Tränen und vergebliches Warten auf der anderen Seite. Samithas Mama kam in den 2 Jahren, in denen sie nun im Angels Home ist nicht ein Mal zu Besuch. Samitha saß alleine auf den Treppenstufen, ich ging zu ihr und sah schon ihre Tränen im Auge. Ich fragte ob bei ihr alles gut sein. Normalerweise bekommt man das typische singhalesische Kopfwackeln und ein halb ernst gemeintes „Yes“. Samitha aber kam gleich auf ihre Mama zu sprechen und ihrer Sehnsucht nach einem Besuch von ihr. Die anderen Kinder führen ihr an den Besuchertagen immer wieder vor Auge wie es sein könnte…sie aber wartete vergeblich auf ihre Mutter. Es wäre wohl nicht bei jedem Besuchstag so aber an diesem Tag ging es Samitha nicht gut. Die Tränen kullerten und ich setzte mich mit ihr auf die Schaukel, wo uns keine neugierigen Blicke der anderen störten. Hier erzählte sie noch ein bisschen von ihrer Mutter und ihrer Schwester, die auch im Angels Home wohnt. Das war das erste Mal, dass mir ein Mädchen so ihr Herz ausgeschüttet hat, es hat mich sehr berührt. Aber leider kann man nichts daran ändern wenn Eltern ihre Kinder verlassen und auch keinerlei Anzeichen der Fürsorge entgegenbringen.
Anders als bei Dillini, hier kam nicht nur ihre Mutter sondern auch der Opa und ihre Schwester, Freude auf beiden Seiten! Auch bei Kalpeni war das Geschwisterchen mit dabei. An diesem Tag gingen mir viele Fragen durch den Kopf:
Ob sich die Kinder fragen warum sie gerade ins Heim mussten anstatt ihre Geschwister? Es ist sicherlich auch nicht einfach zu erklären aber in allen Fällen ist es wohl die bessere Entscheidung gewesen ein Kind ins Heim zu geben um für beide für die beste Versorgung zu sorgen.
Ob die Kinder spüren wie weit sie sich von ihren Eltern entfernt haben und was für ein anderes Leben sie führen? Sich innerhalb von 4 Wochen einmal für ein paar Stunden zu sehen reicht nicht aus um wirklich ein Leben miteinander zu teilen.
Ob sich die Kinder wünschen würden mit ihren Eltern kurz ganz ungestört zu sein und mit allen anderen im Garten zu sitzen? Manche Themen bespricht man eben nur mit den Eltern von denen die anderen nichts mitbekommen sollen.
Ob sich die Kinder nach mehr Zuwendung nach dem Besuch der Eltern mehr sehnen als im restlichen Monat? Durch den Besuch bekommen die Mädchen vor Augen geführt wo sie eigentlich hingehören aber wo sie leider nicht mehr leben können. Sie wünschen sich vielleicht, dass abends nicht die Praktikantin zum „Gute Nacht Sagen“ kommt sondern sich die Mama neben sie ans Bett setzt.
Alles in allem ist es ein schöner Tag für die Mädchen wenn sie ihre Eltern einmal wieder sehen. Man darf nur nicht aus den Augen verlieren was so ein Besuch in den Kindern hervorruft oder was mit den Mädchen ist, die keinen Besuch bekommen. Für mich war es bisher der bewegendste Tag hier im Heim, umso schöner meine Gedanken aufzuschreiben und zu teilen.
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