Zeit für sich
Zeit für sich...Oft habe ich mich gefragt, wenn ich den Mädchen beim Waschen helfe oder sie abends ins Bett bringe, wo sie sich zurückziehen können. Oder wo und wann sie sich Zeit für sich nehmen können. Der Tagesablauf ist so strikt, dass dort kaum Zeit für solche Dinge bleibt. Und da die Mädchen alles teilen, Schlafzimmer, Esstisch, Schränke, besteht nicht die Möglichkeit, sich irgendwo zu verkriechen. Es wird alles geteilt, Freude, Tränen, Spielzeug, Arbeit. Wenn es ein Problem gibt, wird es sofort universell gemacht. Die kleine Ishini, gerade neu ins Heim gekommen, hat direkt am ersten Tag ihre Zahnbürste vermisst. Alle 49 Kinder wurden zusammengetrommelt und jede kleine Ecke im Heim wurde abgesucht. Wenn man in einem Moment so sehr zusammenhält und ein relativ kleines Problem zu einem riesen Deal macht, ist es auf der anderen Seite sehr verwunderlich, dass sich die Mädchen verpetzen, wenn die andere da neben steht. Das können nämlich fast alle ganz gut von den Engeln. Ob man jetzt zusammen hält oder nicht, niemand sucht einen Ort um alleine zu sein, um sich mit sich und der Welt zu beschäftigen. Das brauchen sie hier auch nicht. Wir bekommen schon im Kindesalter ein eigenes Zimmer, in dem wir Dinge verheimlichen können und der manchmal doch so doofen Welt aus dem Weg gehen zu können. Aber hier ist es anders. Einige von den Mädchen kennen noch das Zuhausesein und da gibt es keine privaten Zimmer. Alles wird geteilt; man schläft, isst und kocht in dem gleichen Raum. Hier gibt es zwar separate Schlafzimmer und gekocht wird darin auch nicht, aber trotzdem wird alles geteilt, sogar manchmal die Betten. Das neue Zwillingspaar Achini und Sachini wurde in der ersten Nacht erwischt, wie die eine zu der anderen rübergehuscht ist. Ich teile mir mit meiner Mitpraktikantin Melina auch ein Zimmer. Auch wir merken, wenn man sich sein Reich teilt, nimmt man Rücksicht und lernt sich ganz anders kennen, als wenn wir nur zusammen arbeiten. Aber wir wissen, es ist nur auf Zeit. Langfristig gesehen würden wir uns wahrscheinlich die Köpfe einschlagen, weil wir das Zusammenleben auf so engem Raum einfach nicht gewohnt sind. Wir kommen aus einer völlig anderen Kultur und sind anders, ob wir wollen oder nicht.
Gruß aus dem Angels Home, Lizzy.
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