Hoher Besuch
Am vergangenen Montag erwartete das Angels Home hohen Besuch von insgesamt fünf Männern und Frauen. Darunter zwei Mitarbeiter des Jugendamtes, eine Lehrerin und zwei weitere männliche Berater.
Da die Kinder anscheinend bis kurz vor dem Eintreffen der Gruppe, noch keinen Schimmer von ihrem Glück hatten, brach zunächst erstmal ein bisschen Hektik aus, als Maheshi am Morgen eintraf und mit Schrecken feststellte, dass viele der Kinder noch ihre Schlafanzüge anhatten. Doch es dauerte keine 10 Minuten, da hatten sich die 50 Mädels herausgeputzt und in ihre besten Kleider geschmissen und erwarteten nun freudig den Besuch auf der Veranda.
Als der Van vor der Tür hielt, begrüßten die Mädels die Männer und Frauen mit einem lauten und einstimmigen „Ayobowan“, was übersetzt soviel heißt wie „ ich wünsche dir ein langes glückliches Leben“ und die übliche Begrüßung in Sri Lanka ist.
Danach ging aus hoch auf die Dachterrasse und ein Stuhlkreis wurde gebildet. Die beiden Mitarbeiter des Jugendamtes begrüßten die Kinder mit einigen Sätzen, die wir leider nicht verstehen konnten, da auf Singhalesisch gesprochen wurde.
Anscheinend stießen ihre Worte aber auf Begeisterung weil die Mädels immer wieder aufstanden und in dem für das Angels Home typischen Rhythmus klatschten, vielleicht forderten die beiden sie auch zum klatschen auf, aber ich denke, den Gesichtsausdrucken nach zu urteilen, traf doch Ersteres zu.
Ich fand es schade, dass ich die Einleitung nicht verstehen konnte, weil ich die ganze Zeit gespannt war, was wohl der genaue Hintergrund der Veranstaltung werden würde.
Sollten hier ernstere Probleme besprochen werden oder sollte der Tag, der ja der erstere offizielle Ferientag war, den Kindern einfach nur ein bisschen Spaß und Abwechslung bringen?
Als nächstes wurden die Kinder in zwei Gruppen geteilt, die Großen, also 12 und älter gingen mit den Männern nach unten und die Kleineren blieben mit der Abgeordneten des Jugendamtes und der Lehrerin oben auf der Dachterrasse.
Oben auf der Terrasse forderten die beiden Frauen die Mädels auf sich auf den Boden zu setzen. Danach sollten sie sich selbst vorstellen und ihren Traumberuf nennen. Es stellte sich heraus, dass die Kinder aus dem Angels Home alle ausschließlich Lehrerinnen oder Ärztinnen werden wollen, außer die kleine Kumari, sie möchte gerne einmal Mutter werden, was ein mindestens genauso ernstzunehmender Beruf sein sollte, wie Lehrerin oder Ärztin, da waren sich alle einig.
Daraufhin ging es mit ein paar Spielchen weiter, die vor allem den Teamgeist der Mädels forderten. So wurden zum Beispiel mit Kreide drei Kreise auf den Boden gemalt und bei einem bestimmten Signal mussten sie sich auf die Kreise aufteilen und versuchen alle innerhalb der Markierung unterzubringen.
Als nächstes bekamen die Mädels Stift und Papier zur Hand und sollten einfach mal drauf losmalen.
Während die Kinder beschäftigt waren, kam die Abgeordnete des Jugendamtes zu uns und erklärte, dass sie die Erfahrung gemacht hätte, dass Kinder oft durch eine solche Malaufgabe Teile ihres Inneres aufs Papier bringen, ihre Wünsche und Träume und das was in ihren Gedanken herumspukt. Da wir diese Erfahrung hier auch schon gemacht haben, stimmten wir ihr zu und waren gespannt auf die Ergebnisse.
Vorher erklärten uns die beiden Frauen, welche Motivation ihrerseits hinter den Besuchen im Kinderheim steckt. So sei es auf der einen Seite ihre Pflicht, den Kindern, die sie selber teilweise auch ins Angels Home vermittelt haben einen Besuch abzustatten und sich nach ihrem Befinden zu erkunden und auf der anderen Seite, sei es für die Kinder zwischendurch mit Sicherheit eine wilkommende Abwechslung gegenüber dem schon immer recht ähnlich gestalteten Heimalltag.
Dann waren die ersten Bilder fertig und wurden von den Frauen, der Matron und uns bewundert. Die Lehrerin hat sich für jedes Bild sehr viel Zeit genommen und es mit den Kinder von oben bis unten betrachtet und sich erklären lassen, was das Gemalte darstellt und wahrscheinlich auch bedeutet. An dieser Stelle, wünschten wir uns wieder einen Dolmetscher herbei. Gemalt wurden, Häuser, Familien, die vor Häusern stehen, Blumen, Schmetterlinge und noch vieles mehr.
Damit war der erste Teil beendet und die Frauen gingen nach unten zu den Großen und die Männer übernahmen das Programm für die Kleinen.
Wieder wurde ein Kreis gebildet und einer der Männer plauderte ein bisschen mit den Mädchen, Maheshi übersetzte uns, dass er sie fragte, wie es ihnen gehe und ob es ihnen im Angels Home gefalle. Die Mädchen antworten alle einstimmig und laut, dass es ihnen gut geht und dass es ihnen gut gefällt.
Dann stellten sie sich noch einmal einzeln vor und weiter ging es mit einem kleinen Schauspiel. Die Kinder sollten so tun, als würden sie einen Tee kochen, sich diesen anschließend einschenken und trinken. Da man das überall auf der Welt auf ähnliche Art und Weise erledigt, waren wir hier nicht auf Maheshis Hilfe angewiesen, um zu verstehen, was vor sich ging.
Anschließend ging es mit einer Übung weiter, die ich als kleinen Koordinationstest verstanden habe und bei der ich, für meinen Teil, an meine Grenzen gestoßen bin
Wir sollten uns erst mit der linken Hand ans rechte Ohr fassen und mit der rechten Hand überkreuzt an die Nase, dann wurde einmal in die Hände geklatscht und die Position der Hände getauscht.
Weiter ging es mit der Königsdisziplin der Mädels, dem Tanzen. Der Cd- Player wurde eingeschaltet und alle tanzten im Kreis und hatten sichtlich Spaß dabei.
Der Mann war sehr engagiert bei der Sache und machte ein paar Bewegungen vor, die die Kinder nachmachen sollten.
Damit endete der Vormittag der Kleinen und es gab Mittagessen.
Was die großen Mädchen derweil unten erlebt haben, habe ich mir von Inga erzählen lassen, weil wir drei Praktikantinnen uns so aufgeteilt haben, dass Inga eben mit den Großen mitgegangen ist und Snjezi und ich oben bei den Kleinen geblieben sind.
Wie bereits beschrieben sind die Großen zuerst mit den Männern in den Garten gegangen, dort haben sie einen Kreis gebildet sollten sich in Zweierteams aufteilen und mit ihrem jeweiligen Partner dann einige Übungen machen. Da die Mädchen nicht immer unbedingt mit ihrer besten Freundin in einem Team waren, stellte das für manche schon eine Herausforderung dar.
Dann wurden der Hälfte der Mädchen die Augen verbunden und sie sollten sich in die Mitte des Kreises stellen, danach versuchten ihre Partnerinnen sie durch rufen wieder zurück zu lotsen. Bei dieser Übung hatten die Mädels sehr viel Spaß.
Als nächstes standen einige Gleichgewichtsübungen auf dem Plan, zum Beispiel auf einem Bein stehen mit zunächst offenen, dann mit geschlossenen Augen.
Als nächstes, sollte sich jede mit Namen, Alter und Herkunft vorstellen.
Nach einer kurzen Pause übernahmen dann entsprechend die beiden Frauen die Leitung bei den Älteren, außerdem wurde die Location vom Garten zur Bühne gewechselt.
Zunächst wurde in einem Sitzkreis das Thema Ehrgeiz durchleuchtet: Was ist Ehrgeiz? Wie verfolgt man Ehrgeiz? Und so weiter…Danach sollten sich die Mädchen mit verschieden Berufsfeldern auseinander setzen.
Dann standen wieder einige Teamgeistfördernde Aufgaben auf dem Plan, wie zum Beispiel das Herumreichen eines Zettels, auf dem jeder kurz etwas Zeichnen sollte und auf dem am Ende dann ein Gemeinschaftsbild entstand.
Abschließend sollten sich alle Mädels auf den Rücken legen, die Augen schließen und tief ein- und ausatmen. Die Lehrerin erklärt den Mädchen, wie sie in Stress- oder Problemsituationen abschalten können. Anscheinend waren die Tipps nicht schlecht, weil drei der Mädchen tatsächlich einschliefen. Damit wurde der Vormittag der Großen beendet.
Nach dem Mittagessen haben sich noch einmal alle zusammen oben versammelt und zum Abschied getanzt.
Ich glaube, auch wenn an diesem Vormittag nicht unbedingt der Pädagogische oder Psychologische Effekt an erster Stelle stand, sondern mehr, dass die Mädels Spaß und einen tollen Morgen hatten- oder auch gerade deswegen, sollten solche Besuche öfter als nur einmal im Jahr stattfinden.
Viele Grüße aus Sri Lanka, Marie.
- Aufrufe: 2616