Cool Tour oder Kultur?
Ich befinde mich in einem Bus auf dem Weg nach Waikkala. Der Bus hält alle drei Minuten an, um wieder neue Leute einsteigen zu lassen, obwohl meiner Meinung nach eher welche aussteigen müssten, weil der Bus sehr voll ist. Es ist ein großes Gedränge. Inmitten des ganzen Wuhlings sitze ich.
Ich habe sogar einen Sitzplatz abbekommen, denn als wir losgefahren sind war der Bus noch relativ lerr.. Aber das macht die Fahrt jetzt auch nicht viel einfacher. Immer wieder stolpern oder fallen Gäste auf mich rauf oder ich sitze zusammengequetscht mit lauter Armen oder Oberkörpern vor meiner Nase da und warte, dass wir endlich ankommen. Es ist sehr heiß und da ist der Körperkontakt mit anderen Menschen nicht grade angenehm. Von irgendwoher ertönt ein musikalisches Gedudel auf Singhalesisch, dass mit der Zeit wirklich nervig ist. Meine Nase nimmt die verschiedensten Gerüche auf, von denen mir dann doch etwas übel wird. Im Bus ist es eine Mischung aus schlechtriechendem Männerparfüm, Schweiß und saurem Saft. Von draußen dringt ein Geruch von verbranntem Plastik, Autoabgasen und Dreck herein. Immer wieder drehen sich die Singhalesen zu mir um und schauen mich an. Immerhin bin ich auch die einzige Weiße im Bus.
In diesem Getümmel fange ich an gedanklich etwas abzuschweifen....
Ich frage mich, ob farbige Menschen sich bei uns in Deutschland auch so fühlen, wie ich mich gerade. Aber in Deutschland ist das keine Ausnahme mehr. Ich bin hier außerdem in einem ländlichen Gebiet Sri Lankas. Aber trotzdem frage ich mich warum Menschen eigentlich so unterschiedlich aussehen. Warum es verschiedene Hautfarben gibt und vor allem warum wir versuchen einen Menschen danach zu beurteilen. Wir sind ja eigentlich alle von der gleichen Spezies...und warum dann doch so verschieden? Es ist wahnsinnig wie unterschiedlich sich Kulturen entwickeln, wie sehr sich Mentalitäten unterscheiden. Wie kann das sein, dass eine Spezies mit der gleichen Chromosomenanzahl so unglaublich vielfältig ist?
Ich frage mich ob ich in diesem Bus hier grade so etwas wie eine Attraktion bin. Zumindest fühle ich mich in diesem Moment so, weil ich immer wieder angeschaut werde. Ich versuche freundlich zurück zu lächeln. Immerhin sieht man nicht viele Weiße hier in der Gegend. Ich denke weiter nach....
Was für ein Bild haben die Einwohner eigentlich von uns Weißen? Zunächst muss ich erstmal feststellen, dass auch nicht alle Weiße gleich sind. Auch wir haben unterschiedliche Kulturen. Russen, Polen, Engländer oder Skandinavier sind auch weiß. Aber wir sind auch nicht alle gleich. Trotzdem denken die Menschen hier wir sind etwas besonderes, wir haben Geld und sind klug. Das merken wir Praktikanten im Angels Home allein schon daran, dass die singhalesischen Mitarbeiter uns nur schwer bitten können ihnen bei der Arbeit zur Hand zu gehen und es für selbstverständlich halten für uns das Geschirr zu spühlen.
Da muss ich wieder daran denken, dass es scheinbar auch eine andere Seite gibt, um mit den deutschen touristischen Frauen, und vielmehr sind wir hier eigentlich auch nicht, umzugehen. Und das ist auch die Vorgeschichte, warum ich jetzt eigentlich in diesem Bus sitze und über solche Dinge nachdenke.
Vor 2 Tagen, als ich die Tür zum Englisch-Klassenraum aufschließen wollte, ist mir der Schlüssel abgebrochen. Ich bin deshalb mit einem Tuk Tuk nach Marawila in die Stadt gefahren, um einen neuen machen zu lassen. Chathumini, ein Mädchen aus dem Heim mit guten Englischkenntnissen hat mich begleitet.
Zunächst mussten wir erstmal feststellen, dass es den Schlüsseldienst in Marawila gar nicht mehr gibt. Das war aber kein großes Problem. Der Tuk Tuk-Fahrer kannte einen anderen in der Nähe. Nach 10 Minuten Fahrt waren wir da. Der Mann in dem Laden hat erst mal uns und dann unseren Schlüssel beäugt. Schließlich sein Urteil: Diesen Schlüssel kann er nicht nachmachen. Das war dann schon mal der zweite Rückschlag. Chathumini hat fleißig übersetzt und mir erklärt, dass es zwei Städte weiter noch einen Schlüsseldienst gibt. Wir sollten es dort versuchen.
Die Fahrt würde ungefähr 40 Minuten dauern. Das war mir schon alles nicht ganz geheuer. Ich habe überlegt, ob wir darauf eingehen sollen oder nicht. Chathumini hat für mich gefragt wie teuer die Fahrt werden wird - 700 Rupien. Das hört sich erstmal viel an, aber eigentlich sind es nur knapp fünf Euro und für deutsche Verhältnisse ist das nicht sehr viel für diese Strecke. Also habe ich eingewilligt und wir sind mit dem Tuk Tuk los Richtung Waikkala .
Wir haben an einem total unscheinbaren Häuschen gehalten. Es war alles sehr zugekramt dort. An der Seite hing ein selbstgemaltes Schild von einem merkwürdig aussehenden Schlüssel. Gleich daneben ein Plakat mit einer Warnung vor dem Hund, der allerdings eher einer Ziege ähnelt.
Chathumini hat wieder das Reden für mich übernommen. Der Mann dort ist gleich in seine garagenähnliche Hütte verschwunden. Er ist nach einigen Minuten wieder rausgekommen und hatte einen zweiten Schlüssel in der Hand. Der Tuk Tuk Fahrer hat den neuen Schlüssel begutachtet und genickt. Ich habe nicht mal zwei Euro für den Schlüssel bezahlt und wir haben uns auf den Rückweg gemacht.
Im Angels Home angekommen, wollten wir den Schlüssel ausprobieren und haben noch gescherzt, dass er bestimmt nicht passt... dies stellte sich dann als Realität heraus!
Ich war ziemlich sauer, weil wir insgesamt zwei Stunden nur wegen diesem Schlüssels unterwegs waren und nun passte er nicht mal.
Julia war auch sauer. Wir dachten auch darüber nach, ob das alles vielleicht nur ein Trick war und die beiden Schlüsseldienste und der Tuk-Tuk-Fahrer zusammengearbeitet haben und somit sich zusätzlich Geld verdient haben. Denn ich musste ja nun auf jeden Fall noch einmal hin, um das zu klären.
Hingefahren bin ich dann mit dem Bus.....mit diesem völlig überfüllten Bus, in dem mir diese Gedanken gekommen sind.
PS: Der Mann in Waikkala hat den Schlüssel noch mal überarbeitet, kein extra Geld verlangt und nun passt er!
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