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Glassklar Achive

Neue Sicht des Lebens

Achini und ich beim SchaukelnPanisch drehe ich mich von links nach rechts, atme schnell und bin unruhig. Ich werde wach. Es ist so furchtbar ruhig. Wo bin ich? Nervös und in völliger Eile betätige ich den Lichtschalter. „Anne?“. Anne ist nicht da. Ich schaue mich um. Eine dicke Decke liegt auf mir. Mir ist kalt und ich bin allein. Nun weiß ich, wo ich bin, ich bin zurück, zurück in Deutschland, zurück in der Kälte, zurück in der Privatsphäre, zurück in der „Zivilisation“ und ich bin wach. Es schießen mir tausend Gedanken durch den Kopf. Viele Gedanken die ich in Sri Lanka noch bei Seite geschoben habe, persönliche, belastende Gedanken, die es nun zu klären gilt. Vorbei ist die Zeit, in der ich neue Erfahrungen machen konnte, jeden Tag tolle Sachen erleben durfte, an meine Grenzen gestoßen bin, die liebsten Menschen der Welt kennenlernen durfte, Zeiten, in denen ich mich als eine Art Außerirdische gefühlt habe, den Reis oft satt hatte und vor allem ist die Zeit vorbei, in der ich jeden Tag von vielen lächelnden Gesichtern, nämlich die von den Mädels, bestärkt wurde und ich genau wusste, weshalb ich hier bin, in diesem Heim, in diesem wundervollen Land.

Ich habe gelernt, dass es nichts gibt, was man nicht aus eigener Kraft schaffen kann. Es ist alles möglich, wenn man nur den festen und starken Willen hat, es auch durchziehen zu wollen. Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang an unsere letzte Woche, in der wir umhergereist sind. Wir sind einmal quer durch das Land mit Bus und Bahn, von Osten nach Westen,  was wirklich wahnsinnig nervenaufreibend, spannend und in einer persönlichen Situation auch echt magenverdrehend war.Zugfahrt durchs Hochland

Ich meine, wen lässt es kalt, wenn sich ein alter Mann dicht neben einen setzt, seine Arme in den Nacken legt, sodass schon echt schlimme körperliche Gerüche zu einem herüber dringen und das Gefühl aufkommt, dass er in jedem Moment auf meinen Schoß herüber rutschen möchte und dann auch noch den Deckel seines Eimers beseitigt, sodass ich noch die Gerüche von verdorbenen Fleischresten in der Nase „genießen“ durfte.  Und natürlich die Fliegen nicht zu vergessen, die an einem herumkreisen, als wäre man selbst ein Stück Gammelfleisch. In diesem Sinne noch einmal vielen Dank an Anne, an der ich mich in dieser schlimmen Stunde Busfahrt anlehnen durfte und sie mir ihr parfümiertes T-Shirt als Ausweichmöglichkeit angeboten hatte.

Freilaufende ElefantenApropos parfümiertes T-Shirt! Ich habe mich erst gestern wieder dabei erwischt, wie ich an meiner frisch gewaschenen Wäsche gerochen habe und dabei ein breites Grinsen im Gesicht hatte. Solche Dinge haben mir gefehlt. Jedoch ist es auch andersherum so, dass mir hier in Deutschland Dinge fehlen wie z. B. die frischen Früchte am Morgen (sie hatten eine besondere Süße und einen ganz speziellen besseren Geschmack), die Sonnenauf- und Untergänge, das Wecken durch Kinderstimmen, die Wärme, das TukTuk fahren, die Artenvielfalt an Tieren, die auch einfach frei herumläuft (Elefanten am Straßenrand) und einfach die Menschen, die mit ihrer Unkompliziertheit und ruhigen Art und Weise das Leben durchlaufen.

Sie geben sich mit den einfachsten Dingen ab und versuchen mit den simpelsten Sachen ihr Leben zu bestreiten. Es ist völlig in Ordnung, dass es im Supermarkt nur 2 Sorten Joghurt gibt und  selbst die sind noch nicht einmal wichtig für die Menschen, denn sie haben ja ihren heißgeliebten Reis, den sie dann teilweise morgens, mittags und abends zu sich nehmen. An dieser Stelle muss ich zugeben, dass ich diese kleinen weißen Körner nicht vermisse. Meine Freunde dagegen waren da anderer Meinung. Sie haben sich wirklich Gedanken gemacht und meinten es gut, indem sie am 3. Tag meiner Wiederkehr für mich kochen wollten. „Mit was könnten wir Kerrin wohl eine Freude machen?“ Hmmmmm!!! Ratlosigkeit! Und dann war er da. DER EINFALL überhaupt. „Wir machen eine Gemüsepfanne mit Curry und Reis dazu!“ Ich glaube, jeder, der das jetzt liest, kann sich mein Gesicht vorstellen, als ich die Überraschung auf dem Teller entdeckt habe. „Mensch Leute, das is ja… ääähhhhmmmm, hmmmmm… echt ……. lieb.“ Mein Kopf sagte mir in diesem Moment „Neiiiiiiiiiiin, nicht schon wieder!“ Im Endeffekt hab ich mich aber wirklich darüber gefreut und es mir schmecken lassen. Denn auch diese Eigenschaft durfte ich mit nach Hause bringen. Ich esse nämlich jetzt so gut wie alles. Vor Sri Lanka war ich ein absoluter Mäkeltyp und habe alles aus einem Essen herausgepult, was mir nicht gepasst hatte. Jetzt probiere ich zumindest alles und ich muss immer wieder feststellen, dass das Zeug ja schmeckt, was da so auf meinem Teller ist.

Auch der Konsumrausch lässt mich kalt. Da war diese eine Situation letzte Woche. Ich benötigte ein paar Sachen und fuhr nach Erfurt in die Stadt. Ich habe extra niemanden mitgenommen, weil ich irgendwie für mich sein wollte und mich erst einmal wieder in dieses hektische „deutsche“ Leben einfinden musste. Überforderung überkam mich dann verdammt schnell. Alle Menschen waren so verdammt hektisch und schnell, ungeduldig und vor allem unzufrieden. „Was ist denn eigentlich deren Problem?“, dachte ich nur. Ich musste mich erst einmal setzen. Tief ein- und ausatmen. Ich ging in mich. Früher habe ich es geliebt, shoppen zu gehen, alle Läden zu stürmen und das zu kaufen, was mir gefiel. In Sri Lanka jedoch war es mir egal, wie ich herumgelaufen bin. Wir waren dreckig, wir haben geschwitzt und wir haben uns einfach das angezogen, was wir zur Verfügung hatten (zur Erklärung, ich hatte wirklich nicht viel mitgenommen und auch nur Sachen, die ich sowieso aussortieren wollte). Dennoch haben uns die Menschen dort so akzeptiert, wie wir waren und wir selbst haben uns gut gefühlt. Als ich da so saß, wurde ich wirklich traurig und mir wurde klar, dass ich mich doch wieder umstellen müsse und man in diesem Land oftmals einfach mit dem Strom mitgezogen wird. Was echt schade ist. Individualität sollte hier mal etwas mehr durchdacht werden.Lisa, Anne und ich am Strand des Yala Nationalpark

Es sind hier so viele Dinge, zu denen ich wirklich eine ganz neue Einstellung  entwickelt habe. Sei es das Fernsehprogramm, was mich so gar nicht interessiert bzw. mein Fernseher mehr schwarz als bunt ist, Dinge, die es mal „schnell“ zu erledigen gilt, ich mir aber meine Zeit dafür nehme und es dennoch funktioniert oder ich gelernt habe, mich einfach bewusster zu ernähren und darauf zu achten, dass man nicht alles in sich reinschlingt, sondern sinnvoller und auch einfach sparsamer mit Essen umzugehen. Gerüche, Geräusche und auch die Menschen. Ich nehme alles anders wahr und demzufolge ist auch meine Umgangsweise anders, denn mit einem Lächeln auf den Lippen und einer gewissen Ruhe, erreicht man definitiv mehr, als den Weg der hektischen und stressigen Weise zu gehen.

Buddha und ich beim Adams PeakSri Lanka hat mich geprägt. Wir hatten gute Zeiten, aber auch schlechte. Ich habe sehr viel gelernt und in mir ist viel passiert. Es gibt keinen Tag, an dem ich nicht an Sri Lanka und vor allem an die Mädels denken muss. In Gedanken werde ich immer da sein. Ich danke allen Menschen, die dazu beigetragen haben, dass dieses Praktikum die unvergesslichste Zeit in meinem Leben werden durfte. Sri Lanka has given me a new view of life!

Eure Kerrin

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