So nah und doch so fern….
Ich dachte mir eine bollywood Überschrift wäre angebracht
Es ist eine scheinbar unglaubliche Tatsache, dass ich noch vor 10 Tagen in Sri Lanka war. Wenn ich hier im kalten, nebligen und verregneten Bochum sitze, scheint mir, dass Sri Lanka irgendwo in einem Paralleluniversum existiert und unmöglich auf dem selben Planeten, wie Deutschland liegen kann.
An einigen Highlights, an die ich mich eindrucksvoll erinnern kann, möchte ich euch gerne noch einmal teilhaben lassen. So fing meine Zeit im Angels Home mit unendlich vielen Basteleien an. Durch ein voraus gegangenes Praktikum im deutschen Kindergarten, hatte ich viele gute Ideen mit auf den Weg bekommen und dort eine super kreative Bande um mich herum. Und so entstanden Sterne, Sternschnuppen, Ketten, Ringe, Armbänder, Glitzer,- und Fingerfarbbilder. Und schließlich auch die vielen Glasflaschen, die die Kinder mit Window Colour dekorierten. Zudem war es eine große Freude die Weihnachtsgeschenke für die Mädels zusammen zustellen und dann auch das Fest mit ihnen zu feiern. Und als die Schule wieder anfing und viele Kinder aus den Ferien zurückkehrten, fing die Nachhilfe an. Es hat super viel Spaß gemacht die Kinder in kleinen Klassen zu unterrichten. Das ist wirklich eine tolle Praktikantinnenaufgabe, an der jede einzelne wachsen wird und gleichzeitig die Kinder bereichern kann. Zwischendurch und abends haben wir uns öfters den Büchern gewidmet oder ich habe Geschichten erzählt. Ein großer Spaß war auch jede Party die ich mitfeiern durfte oder auch der eine oder andere Abend wo wir einfach mal die Musik aufgedreht und abgetanzt haben. An den Wochenenden und zwischendurch wurde natürlich weiter gebastelt. Man kann glaub ich schon gut raus hören, dass es mit über 48 Mädels nie langweilig geworden ist!
Einige der Kinder die mir sehr nahe standen, haben mir wirklich eindrucksvolle Geschenke gemacht. Neben vielen Karten habe ich auch Ohrringe, Ketten, Haarspangen und Fotos geschenkt bekommen. Das haben die Kinder nicht gemacht, weil sie alles im Überfluss haben, sondern da sie mir was wieder geben und mitgeben wollten. Das Mädchen, welches mir die Ohrringe geschenkt hatte, war total verblüfft das ich ihr sie wieder geben wollte. Und ganz süß hat sie nur gesagt, dass sie doch noch ein Paar hat. Und so ist das auch, sie hat nur noch ein Paar! So was nenne ich Großzügigkeit und echtes Schenken… Der Abschied war wirklich nicht einfach! Mein letzter Tag verlief ganz normal, ich hab mich nicht groß mit Packen oder ähnlichem aufgehalten, sondern ganz normal den Alltag mit den Mädels verbracht. Mein Abschiedsfest sollte nach dem Abendessen sein. Wie viele Abende zuvor saß ich dort mit 2 Mädels am längsten über meinem Teller, während die anderen schon abgeräumt hatten. Ich bin ein Meister des Verdrängens. Daher machte ich auch noch unwissend den Witz: „Tonight you are not just slow… You are very sloooow!“ Und da ist mir erst einmal aufgegangen, dass die Kleinen am Weinen waren und da war ich auch wieder auf dem Boden der Tatsache und bei mir sind alle Dämme gebrochen. Und man weiß der Traurigkeit auch nicht entgegen zu wirken , denn natürlich möchte ich das Angels Home wieder besuchen, aber wer weiß ob es wirklich dazu kommt und wenn ja wann. Und leere Versprechungen sind doof!
Bei meiner Abschiedsfeier war ich wahrscheinlich die größte Heulsuse von allen, aber es war schön von den Kindern kreative Abschiedskarten entgegenzunehmen, jede noch einmal in den Arm zu nehmen, sich gegenseitig zuzuhören und zu erzählen und deutschen Pudding und singhalesische Schokolade zu naschen. Es sind einfach tolle Kinder und ich denke viel an sie. Abgeschlossen habe ich mit dem Angels Home definitiv noch nicht und so bastel ich noch an einem Postgruß für die Mädels und bin ansonsten eine aktive Stalkerin auf der homepage.
Meine Versuche, meinen Lieben hier, dieses ferne Land und die Leute mit denen ich zusammen gelebt habe nahe zu bringen, lassen mich schwärmen und ich merke wie ich die vielen positiven Erfahrungen für mich heraus filtern kann und mich die Zeit sehr bereichert.
Viele Anekdoten habe ich zu erzählen und lag schon vor Lachen unterm Tisch mit meinen Freunden. schlafende. Und in vielen Geschichten sind nicht einfach nur unendlich viel Witz, sondern auch kulturelle Unterschiede im Vordergrund. So bleibt mir eine dicke, ältere Frau im Gedächtnis, die bei einer Busfahrt direkt neben meinen Sitz gequetscht stand. Die Dame wollte meinen Sitzplatz nicht, weil sie bald wieder aussteigen musste. Bei dieser Busfahrt litt ich unter extremen Schlafmangel und diese freundliche Frau hat meinen Kampf ums Wachbleiben bemerkt, da mein Kopf im Sekundentakt immer auf meine Brust oder den Nachbarmann fiel und daraufhin wieder gequält nach oben schnellte. Ohne Scham oder Berührungsängste hat sie meinen Kopf genommen und in eine ihrer Bauchfalten gesteckt und gemeint: „Sleep now!“ Also das war mal ne Ansage!? Im vollen und lauten Bus, in der Bauchfalte einer fülligen, herzlichen Dame die mit einer Hand meinen Kopf einfach nicht los ließ, habe ich tatsächlich den seligsten 30 Minutenschlaf erfahren, den man sich vorstellen kann. Eine so nette Geste, hat mich erst überfordert und dann schnell die Menschlichkeit aus der sie entsprang, schätzen gelernt. Aufgewacht bin ich auch nur, weil die Frau aussteigen musste. Oder auch als ich eines der Mädchen im Krankenhaus begleitet habe, habe ich mich dort zwischen den Patienten und ihren Angehörigen nicht fremd, sondern gut aufgehoben gefühlt. Sie haben ihr Essen mit mir geteilt und versucht zu übersetzen, wo es Verständigungsprobleme gab. Schön war es, dieses bunte Land bereisen zu können und vor allem im Alltag kennenzulernen.
In Deutschland angekommen, war ich direkt wieder voller Fluchtgedanken, wollte meinen Job im Kinderheim aufgeben, kein Studium anfangen und auswandern, um Kindern zu helfen. Eine romantisch, naive Vorstellung von der ich mich wieder distanziert habe. Diese Woche werde ich mich für „Soziale Arbeit“ einschreiben und dann ab März ein Studentenleben beginnen, zudem behalte ich mit Freuden meinen Job im Kinderheim und hab mich dort auch schon wieder eingearbeitet. Kinder sind Kinder und leider gibt es auch in vielen deutschen Familien ähnliche Probleme wie in Sri Lankas Familien und auch überall sonst auf der Welt.
Ich bin gespannt was ich im Rahmen meines Studiums und darüber hinaus noch alles kennenlernen werde. Dankbar blicke ich auf die Erfahrungen, die ich im „Angels Home for children“ in Marawila sammeln durfte zurück und hoffe, dass die Kinder wenn sie volljährig sind, als selbstständige junge Frauen ihren Weg gehen werden!
Jetzt ist es Zeit Tschüss zu sagen und Frank und Julia alles Gute für ihr blühendes Kinderheim zu wünschen und vielleicht „bis bald“. Rahel
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