Ich soll jetzt wirklich gehen???
Als wir vor einer Woche Bettina verabschiedeten wurde mir plötzlich erst so richtig bewusst, dass auch meine Zeit im Angels Home sich nun unfassbar schnell dem Ende näherte und ich war froh, zumindest noch eine Woche lang den Alltag mit den Mädels hier teilen zu können. Ich kann kaum glauben, wie schnell nun auch diese paar Tage vergangen sind und dass ich mich heute Abend tatsächlich von den liebgewonnen Gesichtern verabschieden soll. Ich habe doch noch so viele Ideen, die ich gerne umsetzen würde... Gerade habe ich Erfolge beim Alphabetlernen mit Shehara erzielt, die aber immer noch an die von mir erdachten Eselsbrücken erinnert werden muss. Dank des gemeinsamen Memoryspielens in der Nachilfestunde, wissen Vihanga und Nadisha nun, dass die neuen Tiere im Garten weder “Kikeriki”, noch “Kitchen”, sondern Chicken heißen und sich mit CH schreiben.
Aus meinen Erfahrungen der letzten Wochen weiß ich, all diese kleinen Lernerfolge werden langfristig nur hängen bleiben, wenn das Erlernte immer wieder mit den Kindern wiederholt wird. Doch mein Praktikum im Angels Home ist nun vorbei. Vor mir liegen zwei sicherlich ebenfalls spannende Wochen, in denen ich Sri Lanka erkunden werde, bevor ich am 15. August wieder gen Deutschland aufbreche. Dennoch hätte ich gerne noch etwas mehr Zeit mit den Kindern gehabt…
Seit Donnerstag haben wir mit Lisa nun eine neue Praktikantin im Angels Home. Ich bin froh, dass ich noch die Möglichkeit hatte, sie kennenzulernen und etwas einzuarbeiten. So weiß ich die Mädels auch in den Nachhilfestunden der kommenden Wochen in guten Händen. In den vergangen Tagen habe ich ihr so viel wie möglich zu unseren Aufgaben im Heim und dem Umgang mit den Mädels erzählt, ihr die Nachhilfegruppen vorgestellt, (ganz wichtig) ihr die Spielregeln des derzeitigen Lieblingsfangspiels Kabaddi erklärt und versucht, die vielen Fragen, die auch ich vor nicht all zu langer Zeit noch hatte, zu beantworten.
Im Grunde waren diese Tage mit Lisa auch eine schöner Weg für mich, die vergangenen zwei Monate noch einmal Revue passieren zu lassen. Nun erkenne ich, wie vieles von dem, was am Anfang so neu und fremd für mich war, in den letzten Wochen klammheimlich ganz “normal und alltäglich” geworden ist: Da wären die vielen ungewohnten Gerüche, die ich nun gar nicht mehr wahrnehme. Das “singhalesische Englisch”, das ich mittlerweile nahezu perfekt beherrsche. Anfangs auch mal planlos in der Gegend rumzustehen und mich zu fragen, was ich hier eigentlich mache, mich heute aber pudelwohl zu fühlen. Beim Betreten des Angels Homes die Schuhe auszuziehen und dann den ganzen Tag nur noch barfuß rumzulaufen. Die Tatsache, dass die Gruppeneinteilung bei Spielen selbstverständlich mit den Worten “UtschiUtschi” beginnt. Beim Kabaddi-Spielen den Rand zu meiden, da das der gefährlichste Bereich auf dem Spielfeld ist. Nicht zu vergessen natürlich die vielen Kinder mit den fremdklingenden Namen, die mit ihren großen Augen und ihrer offenen Art am Anfang zwar süß, aber dennoch Fremde für mich waren. Wer hätte gedacht, dass sie mir in nur 2 Monaten dank ihrer tollen Persönlichkeiten und Eigenarten so sehr ans Herz wachsen würden?
Nicht alles davon war von Anfang an leicht oder verständlich für mich, aber mittlerweile habe ich das Gefühl, hier richtig gut reinzupassen. Gerne würde ich diesen Zustand noch etwas länger genießen. Da dies aber zeitlich nicht möglich ist, koste ich zumindest die verbleibenden Stunden mit den Mädchen so gut wie möglich aus. Die letzte Nacht habe ich ein letztes Mal im Angels Home verbracht. Gestern Morgen habe ich beim Kochen mit gefühlten 20 verschiedenen Gewürzen geholfen und heute mit Shanika die Geburtstagskuchen für die spätere Feier verziert. Nach meiner Rückkehr aus Sri Lanka werde ich mich noch einmal melden und von meinen Erfahrungen beim Reisen durch das Land berichten. Aber jetzt muss ich los, mein Typ wird beim Kabaddi-Spielen verlangt.
- Aufrufe: 2508